Beobachtungen an einer geschützten Art

    Liebe Mitforisten,

    anbei möchte ich an dieser Stelle einen meiner Tagebucheinträge aus diesem Jahr zur Diskussion stellen. Mich interessiert, ob ihr schon ähnliche Erfahrungen gesammelt habt. Leider kann ichaus juristischen Gründen die Art nicht nennen, auf die sich meine Beobachtungen beziehen. Ich musste daher am Text einige Änderungen vornehmen, die ich jeweils kursiv gehalten habe. Seht selbst:

    27.06.2023: Als ich heute nach der Arbeit nach Hause gekommen bin und mein Arbeitszimmer betrat, fand ich an der Gardine des Nordfensters einen makellosen Falter einer geschützten Art. Das Tier zeigte kaum eine Reaktion, als ich näher trat, wie man das von einem frisch geschlüpften Falter erwarten würde. Die Beobachtung passte zu einem „Zuchtunfall“ aus dem letzten Jahr. Letzten Sommer hatte meine siebenjährige Enkelin bei der Gemüseernte einige Raupen einer geschützten Art eingesammelt und sie zu mir gebracht. Ich sollte sie großziehen und sie „retten“. Also setzte ich die Raupen in eine Pflanzenaufzuchtbox und versorgte sie täglich mit dem Kraut ihrer Wahl. Weil es schon recht spät im Jahr war und in meinem Garten kaum noch entsprechende Pflanzen wuchsen, bat ich meine Schwiegertochter, mir aus dem Garten ihrer Eltern passende Futterpflanzen zu besorgen. Die Raupen waren schon beim Einsammeln beinahe er-wachsen und gediehen prächtig. Nach kurzer Zeit waren zwei von ihnen verpuppt, und ich vergaß nach der täglichen Käfigreinigung und dem Futterwechsel, einen Belüftungsschieber am Dach des Aufzuchtbehälters zu schließen. Es dauerte keine Stunde, da hatte sich die dritte Raupe aus dem Staub gemacht.

    So sehr ich mich auch abmühte: Ich fand keine Spur mehr von dem Tier. Dabei inspizierte ich alle freien Schrankbretter. Ich rückte das Terrarium vor, schaute dahinter, durchstöberte Nischen zwischen Schränken und verschonte am Ende nicht einmal die Exponate meiner Mineraliensammlung vor meinen Nachforschungen. Ich war so entschlossen, dass ich am Ende sogar die Rückwand meines Sideboards mit der Taschenlampe ausleuchtete. Dazu musste ich meinen Kopf eng gegen die Wand pressen und mich übers Regal beugen als quälte ich mich mit den fortgeschrittensten Yoga-Übungen. Leider erwies sich mein Schädel als zu breit, als dass ich hinter dem Schrank etwas hätte erkennen können. Stattdessen blickte ich beinahe blind in einen dunklen Abgrund voller Staub und Flusen. Das Licht meiner Taschenlampe reichte gerade aus, um die obersten Zentimeter des Schlitzes auszuleuchten. Hinter dem Sideboard waren nur schemenhafte Strukturen wahrzunehmen, die reichlich Raum für die Fantasie boten: Ich stellte mir vor, wie mir eine dicke, haarige Eckenspinne ins Gesicht sprang, brach meine Suche ab und ersparte mir weitere Verrenkungen. Wer wusste schon, was da im Dunkeln lauerte? So blieb die Raupe bis zum Ende meiner Nachforschungen verschollen - zumal das Sideboard zu schwer war, als dass ich es hätte alleine von der Wand rücken mögen. Endlich gab ich also auf und begnügte mich mit der Einsicht, dass mir das Tier entwischt war.

    Natürlich wollte ich wissen, ob die Puppe im Haus eine Überlebenschance hatte. Ich bemühte also einige Literaturquellen um Hilfe. Was ich dort las, wollte mir nicht gefallen. Es hieß, die überwinternden Puppen einheimischer Arten benötigten einen Kältereiz, um ihre Entwicklung abzuschließen. Nach dieser Information würde die Puppe im Haus also verenden und meine Enkelin wäre enttäuscht. Tatsächlich herrschen in meinem Arbeitszimmer ganzjährig Temperaturen zwischen 18 und 22 Grad vor. Nach dem Stand der Dinge hatte das Tier also keine Chance. Ich wunderte mich deshalb nicht, als der Falter zur erwarteten Schlupfzeit nicht auftauchte. Seine Puppe würde wohl irgendwo in einer versteckten Nische meines Arbeitszimmers vertrocknet sein, vermutete ich. An dieser Version meiner Erzählung hielt ich fest, bis ich heute den frischen Falter an der Gardine entdeckt habe. Die Art scheint demnach also durchaus milde Wintertemperaturen zu ertragen.

    So wie es aussieht, hat die Puppe den Winter überlebt und ist – vermutlich aufgrund der dauernden Wärmeeinwirkung – zu einem verspäteten Zeitpunkt geschlüpft. Der frische Falter dürfte nach dem Aushärten seiner Flügel dem Licht entgegengeflogen und auf der Gardine des Nordfensters gelandet sein. Als ich ihn entdeckte, erholte er sich dort mit über dem Rücken zusammengeklappten Flügeln von den Strapazen seiner Metamorphose. Ich nehme an, wenn ich den Falter nicht vor Einbruch der Dunkelheit entdeckt hätte, wäre er über Nacht in seiner Haltung verharrt und hätte erst am nächsten Morgen versucht, einen Fluchtweg aus dem Zimmer zu finden. In diesem Fall wäre er sicher nicht in dem makellosen Zustand geblieben, in dem ich ihn angetroffen habe. Stattdessen hätte er sich bis zum Nachmittag seine Flügel an den Gardinen zerstoßen gehabt und bei seinem Kampf um die Freiheit jede Menge Energie verloren. So aber blieb mir bei all dem „Hätte“ und „Wäre“ nichts weiter zu tun, als den Falter auf meinen Finger krabbeln zu lassen und ihn im Garten auszusetzen. Ich musste bloß noch meine Enkelin anrufen und sie fragen, ob sie den Falter selber freilassen wollte.

    Jede andere Version der mutmaßlichen Geschehnisse um den Falter als die dargestellte, halte ich für unrealistisch. Seit ich mich für Schmetterlinge interessiere, habe ich schon etliche verirrte Schuppenflügler aus Wohnräumen „gerettet“. Meist handelte es sich bei den Tieren entweder um Tagpfauenaugen oder um Kleine Füchse. Erst vor fünf Tagen pickte ich an derselben Stelle einen Kleinen Fuchs von der Gardine und befreite ihn aus meinem Arbeitszimmer. Nur ausnahmsweise fand sich auch mal ein Weißling unter den verflogenen Tieren. Einen Falter der besagten geschützten Art habe ich dagegen noch nie in der Wohnung aufgesammelt – bis gestern. Und da befand er sich auch noch ausgerechnet an der Stelle, an der ich gemäß der Vorgeschichte mit dem verschollenen Falter einer geschützten Art gerechnet hätte. Es handelte sich also beinahe sicher um dasslebe Tier, das mir im letzten Jahr aus dem Aufzuchtbehälter entwischt war. Spuren, die meine Geschichte beweisen, fand ich bis dato zwar nicht. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass ich - spätestens, wenn ich das nächste Mal die Wände streiche - hinter einem Schrank oder Regal die leere Puppenhülle oder einen ausgetrockneten Sekrettropfen entdecken werde. Vergessen werde ich die Geschichte bis dahin sicher nicht.

    Ürgigens. Keine Sorge: Ich bin kein Sammler. Den Falter einer geschützten Art hat meine Enkelin inzwischen längst feigelassen. Ohne ihr Zutun wäre er der Ernte seiner Futterpflanze zum Opfer gefallen.

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    Nette Geschichte, Michael. Von ausgebüxten Raupen könnte ich auch berichten.

    Ich nehme an daß die geschützte Art ein Papilio machaon war. Ich verstehe nicht ganz warum Du den Namen nicht nennen willst.

    Werner

    Ich schon, wenn sich die Geschichte in Deutschland zugetragen hat. Herzensgesetze und logisches Denken und Handeln, spielen hier einfach keine Rolle wenn es um die Einhaltung, und seien es noch so idiotische, Regeln und Gesetze geht.

    Die Geschichte liest sich echt gut. Solche Situationen sind vom Gesetz her etwas schwierig denke ich und man darf eigentlich nicht in die Natur eingreifen. Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass man ärger bekommt wenn man z.B. geschützte Raupen in der Wiese sammelt wenn der Trecker schon zum mähen da ist. An anderer Stelle die Tiere wieder aussetzen ist sicher ok. Die zu Hause zu züchten vermutlich eher nicht. Wenn dann aber keine gute Stelle mehr zum aussetzten in der Nähe ist was macht man dann? Das ist alles schwierig wie ich finde. Und da ich kein Jurist bin kann ich auch nicht sagen wie genau da die Gesetzeslage ist. Vielleicht kann das hier einer aufklären.

    Nochmal am Rande. Eine solche Geschichte allerdings mit einer ungeschützten Art hatte ich auch mal. Mir ist mal eine Oleanderschwärmerraupe entwischt. Die habe ich auch nicht wieder gefunden. Und eines Mittags saß ein Falter bei mir an der Wand. Durch die Stelle an der er saß habe ich dann auch die Puppe in meinem Stapel Hosen gefunden wo die Raupe zum verpuppen reingekrochen war. Die betroffenen Hosen mussten dann alle gewaschen werden.

    Beste Grüße, David

    • Official Post

    Und da ich kein Jurist bin kann ich auch nicht sagen wie genau da die Gesetzeslage ist. Vielleicht kann das hier einer aufklären.

    Ich bin auch kein Jurist, aber ich kann das aufklären. Du kannst von Gesetz wegen sehr wohl Ärger bekommen, wenn du die Raupen einsammelst auch bevor der Mäher kommt, vor allem wenn du sie ungefragt mit nachhause nimmst. Die Entnahme von besonders und streng geschützten Arten ist in Deutschland verboten. Punkt.

    Quote

    § 44 BNatSchG: Es ist verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören.

    Wir hatten die Diskussion an anderer Stelle schon. Man könnte vielleicht das hier so auslegen, dass man im Falle des Mähers berechtigt ist die Tiere zu retten:

    Quote

    § 45 Absatz 5 BNatSchG: Abweichend von den Verboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 sowie den Besitzverboten ist es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften ferner zulässig, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen. Die Tiere sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbständig erhalten können. Im Übrigen sind sie an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben. Handelt es sich um Tiere der streng geschützten Arten, so hat der Besitzer die Aufnahme des Tieres der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu melden. Diese kann die Herausgabe des aufgenommenen Tieres verlangen.

    Ich für meinen Teil würde das allerdings nicht unbedingt als zutreffend interpretieren. In jedem Fall muss man das aber der Naturschutzbehörde melden oder dort nachfragen wie weiter zu verfahren ist.

    In der Praxis ist die Wahrscheinlichkeit Probleme zu bekommen gering, aber vom Gesetz her ist es zumindest je nach Auslegung nicht so einfach erlaubt.

    Zu dem Falter: Es ist nicht unbedingt so, dass überwinternde Puppen in der Wohnung sicher verloren sind. Ich hatte auch schon Aurorafalter die sich an der Decke verpuppt haben oder Sphingidae die ich in einer Schachtel vergessen hatte. Alle sind normal geschlüpft. Solange die Temperatur nicht übermäßig warm ist (15 bis 18 °C sind ja nicht extrem warm) gehen die Puppen meist trotzdem in Diapause. Ich denke auch wenn der Mechanismus völlig unbekannt ist, kann Temperatur alleine nicht der einzige Regelfaktor für die Auslösung von Entwicklung und Schlupf des Falters sein. Es ist nicht empfehlenswert Puppen im Zimmer zu lagern, da das Risiko dafür dass sie vertrocknen schon höher ist, was aber nicht heißt dass sie auf jeden Fall vertrocknen.

    Grüße Dennis

    • Official Post

    Es ist keine Frage, dass das deutsche Naturschutzgesetz in seiner derzeitigen Form wenig sinnvoll ist und offensichtlich insbesondere Insekten nicht effektiv schützt. Ein großer Teil der gefährdeten Arten (und das betrifft selbst die besser geschützten FFH-Arten) sind seit der Unterschutzstellung weiter zurückgegangen. Weit verbreitete Generalisten wie den Schwalbenschwanz zu schützen ist außerdem genauso unnötig wie sinnfrei, werden die Raupen sicher jedes Jahr zu tausenden weggemäht. Trotzdem ist es nunmal so, dass man sich an bestehende Gesetze halten muss, unabhängig von deren Sinn. Sicher wäre es aber angebracht etwas an der Gesetzeslage zu ändern, wenn es denn politisch gewollt wäre.

    Grüße Dennis

    Gebe dir recht Dennis, aber leider ist das eben nicht gewollt. Man schreibt irgendwo Listen ab und schützt diese Arten, auch wenn es diese in den geschützten Gebieten gar nicht gibt. Das speziell habe ich auf meinem eigenen Grund und Boden erlebt. Wir wurden zu einem Natura2000 Schutzgebiet erklärt und bei der Aufklärungsveranstaltung bekamen wir eine Liste der geschützten Arten. Als ich ihnen dann anbot meine Daten von 7 Jahren intensiver Forschung zur Verfügung zu stellen, lehnten sie mit der Begründung ab, dass ohnehin schon jemand "durchgegangen" ist ... was soll man dann noch dazu sagen.

    Hauptsächlich hängen sie sich ein grünes Mascherl um und dann zerstören sie wieder alles rund herum. Habe das in vielen Bereichen selbst erlebt und kenne einige Schützer, die gegen Windmühlen kämpfen.

    Ich versuche aber trotzdem positiv zu denken und so konnte ich auch heuer für mich wichtige Arten finden. Eupydryas intermedia ein frisches Männchen, und zuletzt endlich Boloria thore. Da mußte ich auch ein paar Stunden durch die Gegend laufen. Leider ist auch in diesem wirklich unberührten Biotop heuer ein großes Defizit bei den Tagfaltern ... schätze so 50%. Waren das wirklich nur die nasskalten monate März-Mai?

    Ich bin auch kein Jurist, aber ich kann das aufklären. Du kannst von Gesetz wegen sehr wohl Ärger bekommen, wenn du die Raupen einsammelst auch bevor der Mäher kommt, vor allem wenn du sie ungefragt mit nachhause nimmst. Die Entnahme von besonders und streng geschützten Arten ist in Deutschland verboten. Punkt.

    Bislang habe ich mich aus solchen Diskussionen immer herausgehalten. Und zwar einfach deshalb,. weil ich keine große Lust habe, mich privat mit Dingen zu beschäftigen, mit denen ich beruflich ständig zu tun habe. Ich informiere mich lieber bei euch Entomologen und Biologen über Sachverhalte, die mich privat interessieren.

    Natürlich hat Dennis recht, wenn er auf das BNatSchG verweist und festhält: Die Entnahme von besonders und streng geschützten Arten ist in Deutschland verboten. Was soll man daran deuteln? Das steht schließlich so im Gesetz.

    Zum konkrekten Einzelfall gilt jedoch: Nicht ich habe die Raupen eingesammelt, sondern meine strafunmündige, sieben Jahre alte Enkelin. Sie hat mir die Raupen sodann übergeben, und ich habe sie angenommen, damit sie die Ernte überleben. Letzteres konnte ich nur sicherstellen, indem ich mir die Futterpflanze besorgte und die Raupen bis zur Verpuppung großgezogen habe. Die Raupen stammen von einem Ort, der sich ca. 5 km Luftlinie von meinem Wohnort entfernt befindet. Ich konnte die Falter also nach ihrem Schlupf problemlos wieder in die Natur entlassen, ohne dass ich damit gegen eine andere Vorschrift des BNatSchG verstoßen hätte. Es ist daher sehr unwahrscheinlich, dass mich ein deutsches Gericht wegen meiner tatbestandsmäßigen Handlung verurteilen würde. Und zwar aus folgenden Gründen:

    1) Eine Bestrafung ist nach dem Gesetz nur möglich, wenn der "Delinquent" tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft handelt. Entsprechend erfolgt durch die Gerichte eine dreistufige Prüfung. Erst am Ende dieser Prüfung entscheidet der Richter, ob eine Bestrafung erforderlich und rechtlich möglich ist.

    2) Ganz wesentlich bei gerichtlichen Prüfungen sind die vier Auslegungsmethoden der Juristerei. Ein Gesetzestext sollte demnach nach der grammatischen Methode, nach der historichen Methode, nach der systematischen Methode und nach der teleologischen Methode ausgelegt werden. Die naheliegendste Form der Auslegung ist natürlich immer die grammatische. Sie besteht darin, dass man sich den Gesetzestext durchliest und deutet, was genau im Text geschrieben steht. Im Strafrecht ist das besonders wichtig, weil das Grundgesetz uns eine Wortauslegungsgrenze vorschreibt. Man darf also die Bedeutung von Wörtern nicht über ihren üblichen Sinngehalt hinaus ausdehnen.

    3) In meinem speziellen Fall wären im Fall der Fälle (wenn mich einer von euch anzeigt) vor allem die grammtische Methode und die teleologische Methode ausschlaggebend. Historisch und systematisch ist beim BNatSchG nämlich nicht viel zu holen. Dennis würde also sagen: "Michael, du hast dich strafbar gemacht, weil du Stadien einer besonders geschützen Art aus der Natur entnommen hast. Punkt." Dem würde ich entgegenhalten, dass ich das eben gerade nicht getan habe, weil ich nicht einmal in der Natur gewesen bin. Die Raupen hat vielmehr ohne mein Wissen meine strafunmündige Enkelin gesammelt und sie mir übergeben. Demnach habe ich nach meiner Auslegung nicht einmal den Tatbestand erfüllt. Und hier gilt ja, wie wir gelernt haben, die grundgesetzlich vorgeschriebene Wortauslegungsgrenze.

    4) Wenn das Gericht im Hinblick auf den Tatbestand zu einer anderen Auffasung käme wie ich, würde es am Ende wahrscheinlich dennoch von einer Bestrafung absehen. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund. Es müsste teleologisch hinterfragen, welchem Sinn und Zweck das Bundesnaturschutzgesetz dient. Und das Gesetz dient eben klar dem Schutz der geschützen Arten. Wenn ich also Raupen großziehe, damit sie eine Ernte überleben, habe ich nicht gegen den Zweck des Gesetzes gehandelt, sondern, im Gegenteil, sogar zum Schutz der Tiere beigetragen. Insofern hätte ich eine gute Ruhe, wenn mich hier jemand anzeigen wollte.

    Warum war ich dennoch so vorsichtig? Weil ich einfach keinen Bock auf den Nervenrkieg hätte, bis der Strafvorwurf endlich abgewendet wäre. Insofern hat Dennis tatsächlich recht: Man kann schon Ärger bekommen, wenn man so handelt, wie ich das getan habe. Die Chance, dass man dafür aber tatsächlich bestraft wird, geht de facto gegen Null.

    Übrigens: Weil Strafverfahren so dermaßen lästig und nervenaufreibend sind - auch oder gerade wenn man unschuldig ist! -, sind die Strafverfolgungsorgane gezwungen, diese so schnell wie möglich abzuhandeln. Dauern sie zu lange und man ist schuldig, muss das Gericht einem die Verfahrensdauer auf das Strafmaß anrechnen. Wie gesagt, Strafverfahren sind für den Beschuldigten, Angeschuldigten oder Angeklagten lästig, lästig, lästig. Deshalb bin ich so vorsichtig. Aber mich hat eben der biologische Zusammenhang interessiert.

    Und, fürs Protokoll: Natürlich weiß ich nicht einmal genau, um welche Art es sich gehandelt hat. "Daran kann ich mich nicht erinnern", würde das wegweisende Vorbild unseres Bundeskanzlers dazu wohl sagen. Alles klar? :winking_face_with_tongue:

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    Schöne Diskussion hier.

    Zum Thema Überwinterung fiel mir in den letzten Jahren so Einiges auf.

    Wie Dennis schreibt, gibt es Puppen, die überwintern einfach. Z.B. der Aurorafalter. Da gibts einfach nur eine Generation im Jahr, egal wie warm die im Winter liegen, die schlüpfen nicht. Bei machaon ist es so, daß die teils 3 Generationen machen. Aber ab der 2. Generation gehen schon einzelne Puppen in Diapause.

    Es gibt Falter, die kannst durchzüchten, eine Generation nach der anderen, solange warm genug.

    Ich vermute es hängt auch mit dem Futter zusammen. Beim Aurorafalter ist das Futter nur im Frühling verfügbar. Das "weiß" die Art und die Puppe geht in Diapause, bei anderen Arten ist das Futter ganzjährig verfügbar und so lange es warm genug ist, schlüpft halt auch der Falter.

    So ist zumindest meine Beobachtung und Vermutung.

    Das wäre kein Argument meiner Meinung nach.

    Der Aurorafalter frisst im Frühling bloß gerne an Wiesenschaumkraut und Knoblauchsrauke.

    Die gäbe es aber auch lang genug für eine 2. Gen.

    Zumal auch der Aurorafalter ausweichen kann, Raps, Ackersenf etc., das frisst er alles.

    Wahrscheinlich hat sich das Univoltine bei ihm einfach als evolutionär am sinnvollsten erwiesen. Gleiches beim Zitronenfalter, der vernichtet nämlich dein Argument.

    Zum machaon.

    Es ist immer noch "nur" eine Ordnungswidrigkeit und keine Straftat. Sollte es da also wirklich zur Anklage kommen, würde "nur" ein Bußgeld ausgesprochen, wie Radfahren auf dem Gehweg, also vmtl. 15€ oder sowas.

    Irgendwann wird da zwangsläufig umgedacht werden (müssen).

    • Official Post

    Dennis würde also sagen: "Michael, du hast dich strafbar gemacht, weil du Stadien einer besonders geschützen Art aus der Natur entnommen hast. Punkt."

    Das würde ich nicht sagen, weil ich kein Jurist und schon gar kein Richter bin und die Hintergrundgeschichte nicht kenne/kannte. Insofern vermag ich das gar nicht zu beurteilen :winking_face: . Ich habe nur festgestellt, dass die Entnahme insofern keine Ausnahmen nach dem BNatSchG zutreffen strafbar ist. Soweit ich das BNatSchG interpretiere und kenne, wäre mir nichts bekannt wodurch der Mäher eindeutig eine Ausnahme rechtfertigt. Aber ich habe ja §45 Absatz 5 zitiert, ich finde schon das man das so auslegen könnte. Es ist nur dem Wortlaut her nicht so richtig zutreffend. Vielleicht kennt ja sogar noch jemand eine andere Stelle die das rechtfertigt. Ich kenne das Gesetz jetzt auch nicht von vorne bis hinten auswendig, geschweige denn weiß ich es mit juristischer Expertise zu interpretieren. Ich interpretiere nur was ich da als normaler Mensch lese.

    Letzten Endes stimme ich dir völlig zu:

    Die Chance, dass man dafür aber tatsächlich bestraft wird, geht de facto gegen Null.

    Und hier im Forum gibt es glaube ich sowieso keinen der das verurteilt.

    Als ich ihnen dann anbot meine Daten von 7 Jahren intensiver Forschung zur Verfügung zu stellen, lehnten sie mit der Begründung ab, dass ohnehin schon jemand "durchgegangen" ist

    Das ist schon ziemlich dämlich und schade. Dass man auf Daten verzichtet die einem angeboten werden... es gibt leider immer wieder Leute die es entweder nicht besser wissen oder einfach kein Interesse daran haben irgendetwas zu verbessern. Man muss aber auch sagen, dass zumindest auf regionaler Ebene sehr viel vorran geht. Viele sind zumindest bemüht etwas zu verbessern und freuen sich über jeden Input von Experten. Die FFH-Richtlinie gibt dem Naturschutz auch durchaus relativ mächtige Instrumente an die Hand. Funktioniert, das deswegen alles reibungslos? Nein, natürlich nicht, aber es ist immerhin schonmal ein Schritt in die richtige Richtung.

    bei anderen Arten ist das Futter ganzjährig verfügbar und so lange es warm genug ist, schlüpft halt auch der Falter

    Ich denke da sind unter Umständen sehr viele Faktoren beteiligt und das müssen auch nicht bei allen Arten dieselben sein. Beim Segelfalter scheint definitiv die Tageslänge eine Rolle zu spielen, weil relativ genau ab einem bestimmten Datum alle Raupen die sich noch verpuppen braune Puppen ergeben und überwintern. Bestimmt wird die Futterverfügbarkeit eine Rolle spielen. Vielleicht können die Raupen bestimmte Inhaltsstoffe von Pflanzen (z.B. den N-Gehalt) "messen" und daran ablesen wenn der Nährwert abnimmt und es gegen Herbst geht. Auch Temperatur als externer Indikator für den Schlupfzeitpunkt wird schätze ich nicht als einfacher Schwellenwert "programmiert" sein, nach dem Motto "schlüpfe sobald 25 °C überschritten wird". Da werden sicher komplexe Regelkreise eine Rolle spielen die bisher noch völlig im Dunkeln liegen.

    Grüße Dennis

    Ich habe nur festgestellt, dass die Entnahme insofern keine Ausnahmen nach dem BNatSchG zutreffen strafbar ist. Soweit ich das BNatSchG interpretiere und kenne, wäre mir nichts bekannt wodurch der Mäher eindeutig eine Ausnahme rechtfertigt. Aber ich habe ja §45 Absatz 5 zitiert,

    Sorry Dennis, wenn du mich falsch verstanden haben solltest. Das Problem, das ich mit meinen langen Ausführungen vergegenwärtigen wollte, ist, dass man einen Gesetzestext nicht nur einfach lesen und grammatisch interpretieren kann. Im Strafrecht gibt es allgemeine Regeln, die "das Unlogische" einfangen, das man dem BNatSchG immer wieder nachsagt. Besonders wichtig ist dabei - wie gesagt - die teleologische Auslegung des Einzelfalls. Übrigens ist nicht mal ganz klar, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit ich eine geschützte Art "der Natur" entnehme. Ist ein Garten "Natur"? Ist eine landwirtschaftliche Fläche "Natur"? Leute vom Fach, würden im Zweifel Beck online heranziehen und sich dort auf den neuesten Stand bringen.Vor kurzem habe ich mal angesichts einer ähnlichen Diskussion im Forum kurz auf die Seite geschaut (da braucht man einen bezahlten Zugang) und mir einen Überblick verschafft. Und siehe da: Ich habe kaum etwas zum Thema Straftaten nach dem BNatSchG gefunden. Das bedeutet in der Regel, dass sich die Justiz noch kaum mit dem Thema befasst hat. Sprich: das BNatSchG existiert zwar, es spielt in der juristischen Praxis jedoch kaum eine Rolle.

    Das Juraforum bietet zum Begriff "Natur" (du musst die geschützten Arten ja "der Natur entnehmen", von diesem Fall hatten wir es) übrigens folgende Definitionen an:

    1. Natur umfasst die gesamte materielle Welt, wobei der Mensch und seine Tätigkeit ausgeschlossen bleiben. In diesem Sinn ist Natur identisch mit materieller Welt und damit gegen das Bewusstsein abgegrenzt. Diese Naturauffassung weist dem Menschen eine „Sonderstellung“ gegenüber der Natur zu und vernachlässigt die dem Menschen eigene Natur, also seine biotische Seite. Sie betont jedoch die Ursprünglichkeit der Natur und konstatiert, dass der Mensch aus der Natur hervorgegangen ist.

    2. Natur kann auf die Bezugsebene Mensch konzentriert werden. Bei dieser Naturauffassung steht der Mensch als Teil und Gegenüber der Natur im Mittelpunkt der Betrachtungen. Hierbei werden die Beziehungen zwischen Natur und Mensch bzw. Gesellschaft berücksichtigt, nicht aber die Gegebenheiten und Prozesse außermenschlicher Natur. Hier sind besonders die Naturvölker von Interesse, welche in einer relativ großen Abhängigkeit von der Natur stehen und nicht über eine Schriftsprache und aufgezeichnete Geschichte verfügen.

    3. Natur gilt als Gegenbegriff zu Kultur. Diese Naturauffassung hat den umfassendsten Gültigkeitsbereich. Sie umfasst alles das, was i.w.S. außerhalb der Gesamtheit der geistigen und menschentypischen materiellen Leistungen einer Menschengemeinschaft insgesamt oder in einer historischen Epoche liegt. Demnach würden z.B. Sprache, Wissenschaft, Kunst und Wirtschaft mit ihren Ergebnissen außerhalb der Natur liegen.

    4. Natur steht auch als Inbegriff schöpferischer, treibender Wesenskräfte. So kann die Natur des Menschen als konkrete Wesensäußerung seiner biopsychosozialen Einheit aufgefasst werden, als Gesamtheit seiner Triebe und Bedürfnisse.

    Wie du siehst, hat ein findiger Rechtsanwalt reichlich Angriffspunkte, wenn es darum geht, einen Delinquenten zu verteidigen, dem die Entnahme einer geschützten Art aus der Natur vorgeworfen wird. Und das trifft natürlich auch auf jede andere strafbare Verhaltensalternative zu, die im BNatSchG beschrieben wird.

    So und jetzt werde ich mich endlich mit euren klugen Antworten zu meiner Frage beschäftigen...

    Beim Aurorafalter ist das Futter nur im Frühling verfügbar. Das "weiß" die Art und die Puppe geht in Diapause, bei anderen Arten ist das Futter ganzjährig verfügbar und so lange es warm genug ist, schlüpft halt auch der Falter.

    Das ist interessant. Kürzlich habe ich mich einmal mit der Phänologie von Papilio alexanor befasst. Dieser Spezies sagt man nach, dass sie als Puppe sogar "abschätzen kann", ob zum üblichen Schlupfzeitpunkt genügend Futter für die Raupen zur Verfügung steht. Das ist wohl notwendig, weil die Raupen nur die Blüten und Blütenknospen ihrer Futterpflanzen verzehren. Sofern sich die Bedingungen für einen Schlupf nicht eignen, übersommert Papilio alexanor wohl bis zu drei Mal, ehe der Falter am Ende schlüpft. Dieses Beispiel hatte ich bei meinen Erwägungen ganz vergessen.

    Zum machaon.

    Es ist immer noch "nur" eine Ordnungswidrigkeit und keine Straftat. Sollte es da also wirklich zur Anklage kommen, würde "nur" ein Bußgeld ausgesprochen, wie Radfahren auf dem Gehweg, also vmtl. 15€ oder sowas.

    Oh, so genau habe ich da noch gar nicht nachgeschaut.,, :thinking_face: Für machaon stimmen deine Angaben. Es kommt allerdings auf den konkreten Schutzstatus der betroffenen Art an. Im Ordnungswidrigkeitenrecht könnte man natürlich gleich argumentieren, wie ich das getan habe. Das sollte man auch unbedingt tun, denn die Bußgeldrahmen sind wie folgt:

    BundeslandBußgeld
    Baden-WürttembergBis zu 50.000 €
    BayernBis zu 50.000 €
    BerlinBis zu 50.000 €
    BrandenburgBis zu 65.000 €
    BremenBis zu 50.000 €
    HamburgBis zu 50.000 €
    HessenBis zu 50.000 €
    Mecklenburg-VorpommernBis zu 20.000 €
    NiedersachsenBis zu 50.000 €
    Nordrhein-WestfalenBis zu 50.000 €
    Rheinland-PfalzBis zu 5.000 €
    SaarlandBis zu 10.000 €
    SachsenBis zu 50.000 €
    Sachsen-AnhaltBis zu 50.000 €
    Schleswig-HolsteinBis zu 50.000 €
    ThüringenBis zu 50.000 €

    Wie gesagt, mir ging es nur darum, einmal aufzuzeigen, dass es im Strafrecht (wie auch im Ordnungswidrigkeitenrecht) allgemeine Grundsätze gibt, die stets zu beachten sind und die "das Unlogische" der Vorschriften relativieren. § 46 OWiG bestimmt, dass im Ordnungswidrigkeitenrecht die Vorschriften des Strafeverfahrens anzuwenden sind, sofern andere Regelungen in der jeweiligen Rechtsvorschrift fehlen. Insofern spielt es für die Diskussion eines Einzelfalles kaum eine Rolle, ob wir es mit einer Straftat oder einer Bußgeldvorschrift zu tun haben...

    • Official Post

    Übrigens ist nicht mal ganz klar, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit ich eine geschützte Art "der Natur" entnehme. Ist ein Garten "Natur"? Ist eine landwirtschaftliche Fläche "Natur"?

    Na ja, das begibt sich aber dann schnell auf eine Ebene bei der um jede Definition gefeilscht wird, was ich Juristen ohne Zweifel zutraue, was aber denke ich für die Bewertung des Gesetzes für Laien nicht hilfreich ist. Wenn ich sowas der Naturschutzbehörde als Begründung geben würde warum ich irgendwas auf einem Feld oder im Siedlungsgebiet einsammeln darf, dann würden die mich hochkant rausschmeißen.

    Sprich: das BNatSchG existiert zwar, es spielt in der juristischen Praxis jedoch kaum eine Rolle.

    Das ist interessant und entspricht in etwa meinem Gefühl. Da man aber zu den Kommentaren keinen einfachen Zugang hat konnte ich das nie bestätigen.

    Es ging mir hier wie gesagt auch nicht um einen Einzelfall, sondern grundsätzlich darum, dass hier keiner glaubt er kann jetzt rausrennen und Sachen einsammeln weil sie vielleicht gemäht werden. Zumindest halte ich es erstmal für fraglich dass das so ohne weiteres nach dem BNatSchG erlaubt ist. Dass es praktisch keiner verfolgt ist ja eine andere Geschichte. Das muss dann jeder selber wissen.

    Sofern sich die Bedingungen für einen Schlupf nicht eignen, übersommert Papilio alexanor wohl bis zu drei Mal

    Das ist korrekt und ist bei einigen Arten zu beobachten die an sommertrockene Lebensräume angepasst sind. Vermutlich schlüpfen die Puppen nicht bei großer Trockenheit, da dann keine oder nur wenige Nahrungsressourcen vorhanden sind. Soetwas findet man in Mitteleuropa allerdings kaum.

    Grüße Dennis

    Hallo zusammen,

    nochmal zum Thema geschützte Arten:

    Neulich habe ich Fotos von Proserpinus proserpina-Raupen gepostet. Ich hatte mich an die Vorschriften gehalten und die Raupen in Ruhe gelassen. An dem Ort liegt allerdings einiges an Gerümpel herum und tin paar Tage später schaue ich nochmal vorbei und finde drei(!) Raupen ersoffen in einer Pfütze, die sich auf einer Kunststoffplane gebildet hatte. Was für ein Jammer! Hätte ich doch nur gegen das Gesetz verstoßen... :loudly_crying_face:

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