Zukunft der Faunistik

  • Viele abbonieren sicherlich die EZ. zu folgenden Artikel in der letzten EZ möchte ich mal eine Diskussion anstoßen - hier hoffe, hier ist der richtige Ort.


    Zusammenfassung und Kommentar zum Artikel „Faunistik als Zukunftswissenschaft“ von Herrn Prof. Dr. Bernhard Klausnitzer in der aktuellen „Entomologischen Zeitschrift“, Band 117, Februar 2007-02-22


    Anlässlich des Abschlusses des zehn Bände umfassenden Werkes „Die Schmetterlinge Baden-Württembergs“ sprach am 21. Sep. 2005 Herr Prof. Dr. B. Klausnitzer zum Thema „Faunistik als Zukunftswissenschaft“ sicherlich vielen Zuhörern aus der Seele und es ist gut und richtig nun eine Kurzfassung in der Entomologischen Zeitschrift (EZ) zu lesen. Denn die Zukunft der Faunistik in öffentlich wissenschaftlicher wie privater bzw. im Verein organisierter Hinsicht bedarf unbedingt der Diskussion.
    Da nicht mehr jeder die EZ abboniert hat und die Artikel der Zeitschrift auch nicht über das Internet verfügbar sind, möchte ich im Folgenden den Inhalt kurz wiedergeben:


    Die Bedeutung der Faunistik für die biologische bzw. zoologische Grundlagenforschung ist nach wie vor von enormer Bedeutung. Nur sie widmet sich dem modernen Schlagwort der Biowissenschaften, Ökologie und des Umweltschutzes erschöpfend: Die Biodiversität. Faunistik, also die detaillierte Artenkenntnis, stellt mit dem Wissen um Systematik, Taxonomie, Verbreitung, Lebensweise, Umweltansprüche und auch Gefährdungsstatus das Fundament der Biologie. Doch der Bedeutung dieser Disziplin wird und wurde in den letzten 30 Jahren nicht hinreichend Rechnung getragen. Faunistik – insbesondere die Entomologie – verschwinden zunehmen aus den wissenschaftlichen Institutionen, den Universitäten und Museen. Sie wird sogar aus dem Lehrplan zahlreicher Universitäten praktisch vollkommen gestrichen und ist auch an den Schulen massiv auf dem Rückzug. An der Altersstruktur entomologischer Vereine wird dies deutlich: Es fehlt an Jugend. Dafür verlagerte und verlagert sich die Faunistik nach wie vor zunehmend in den privaten Bereich interessierter Laien. Freizeitentomologen stellen heute einen beachtlichen Teil der faunistischen Forschung, doch wo bleibt der wissenschaftliche Beistand? Wer überwacht die wissenschaftliche Qualität ihrer Arbeit und der resultierenden Veröffentlichungen? Und wer leitet zum professionellen wissenschaftlichen Arbeiten an? Zudem werden nur wenige große Gruppen, wie Schmetterlinge und Käfer gut erfasst. Doch wer kümmert sich um die „Stiefkinder“ der Entomologie?
    In der Öffentlichkeit und sogar in den wissenschaftlichen Kreisen hat sich eine Missachtung, ein negatives Ansehen gegenüber der Faunistik breit gemacht. Studenten bekommen weder einen Anreiz noch eine Chance sich an deutschen Universitäten intensiv mit „faunistischer“ Entomologie zu befassen. Eine wissenschaftliche Karriere auf diesem Gebiet aufzubauen, ist ungleich schwieriger als im molekularbiologischem Bereich. Publikationen in diesem Bereich zählen einfach nicht so viel wie in der Molekularbiologie, obwohl ebenso anspruchsvoll und werden von den großen Printmedien praktisch nicht mehr berücksichtigt. Und von der nicht-wissenschaftlichen Öffentlichkeit werden Entomologen oftmals als Insektenmörder abgestempelt. Eine öffentliche Meinung, die sich auch durch die Naturschutzgesetzgebung auf entomologische Freizeitforschung auswirkt – eine Gesetzgebung, die nach wie vor nicht zwischen der Entnahme eines Adlers und eines Schmetterlings aus der Natur unterscheidet und damit praxis- und wissenschaftsfern ist. Dabei ist an einer privaten Insektensammlung nichts Suspektes und sie gefährdet schon gar keine Arten in ihrem Bestand. Dafür weisen genau diese Hobbyentomologen durch ihre Fachkenntnis und Erfahrung auf Gefahren für die Insektendiversität hin und konnten so schon in vielen Beispielen Populationen von dem Aussterben retten (z. B. Mosel-Apollo).
    Was ist nun mit der Faunistik als Zukunftswissenschaft? „Alle reden von Biodiversität, wir erforschen sie“. Wenn wir weiterhin den faunistischen Sektor an der Universitäten absägen und es den Laienentomologen schwer machen, wird es unmöglich werden, dem Übereinkommen über die Erforschung und den Erhalt der biologischen Vielfalt gemäß der Konferenz von Rio und der nationalen „Biodiversitätsstrategie“ Deutschlands gerecht zu werden. Soweit zur Zusammenfassung des Artikels von Herrn Prof. Dr. Bernhard Klausnitzer.


    Welche Lösungsansätze bieten sich uns nun? Es ist natürlich einfach Mittel und Stellen für entsprechende Bildung und Forschungsvorhaben an den Universitäten, Museen und anderen wissenschaftlichen Institutionen einzufordern. Nur wird dieser Forderung nicht entsprochen werden, wenn das Bewusstsein in der allgemeinen Öffentlichkeit wie auch bei den Kollegen der anderen Fachgebiete der Biowissenschaften sich nicht ändert d. h. die Notwendigkeit der Forschung nicht erkannt wird. Da kann der Tag der Artenvielfalt auch nicht drüber hinwegtäuschen. Was fehlt, ist die Präsens der Entomologie und verwandter Disziplinen in den Medien d. h. Printmedien und Onlinedatenbanken bzw. -zeitschriften. Derzeit ist die entomologische Literatur heillos zersplittert. Viele kleine lokale Gruppen geben Vereinszeitschriften heraus, deren Artikel ohne Mitgliedschaft nur mühsam erhältlich sind. Doch auch der „Entomologischen Zeitschrift“ geht es nicht besser. Sie sollte doch eigentlich einen zentralen Platz in der deutschen oder besser europäischen entomologischen Literatur einnehmen. Doch das Heft ist dünn geworden und ohne Abbo kommt man an die Artikel kaum heran. Die Artikel sind meist nur auf deutsch mit nur kurzem engl. Abstract. Internationalität ade! Eine ernst zu nehmende Internetpräsens (wie z. B.: http://www.royensoc.co.uk/) fehlt der EZ völlig. Artikel als PDF herunterladen ist unmöglich. Im derzeitigen Format ist die EZ bedeutungslos, eine Veröffentlichung in ihr für einen Autor uninteressant weil nicht wahrnehmbar und ob sie die nächsten Jahre überlebt werden, wage ich zu bezweifeln. Und ja, auch ich lasse nach vielen Jahren das Abbo dieses Jahr 2007 auslaufen.
    Meiner Meinung nach fehlt eine angemessene und zeitgemäße Plattform der vielen deutschen und europäischen wie internationalen Interessensgruppen für wissenschaftliche, entomofaunistische Veröffentlichungen. Schaffen sich die Faunisten doch selbst ein Medium für Ihre Arbeit und machen sie sich unabhängig von Zeitschriften, die an diesen Arbeiten kein Interesse mehr zeigen. Und eine Plattform sollte heutzutage keine gedruckte Zeitschrift sein, sondern eine entsprechende Präsentation im Internet, die thematisch (Taxa) gegliedert ist, die den Autoren erlaubt, ihre Forschungsergebnisse zügig (nach Review) zu veröffentlichen und den Lesern einen uneingeschränkten Zugriff auf alle Artikel als PDF erlaubt. Eine interaktive Onlinebibliothek wie sie z. B. von Nature (http://www.nature.com/nature/index.html) unlängst verwirklicht ist. Ja, so sieht die Zukunft einer Vernetzten und dadurch erleichterten Faunistik aus, die zudem auch für jungen Entomologen viel ansprechender und zugänglicher wäre. Solch eine Plattform würde nur ein wenig des ehrenamtlichen und finanziellen Engagements erfordern, der derzeit in den Druck der vielen kleinen Vereinszeitschriften gesteckt wird. Gleichzeitig würde sie die lokalen Gruppen nicht überflüssig machen, sondern durch erhöhten Informationsfluss und Präsens in einem großen Forum stärken.


    B. KLAUSNITZER 2007. Faunistik als Zukunftswissenschaft. Entomologischen Zeitschrift, Band 117, Februar 2007, S.3-6


    LG
    Sascha Eilmus
    Universität Duisburg-Essen

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  • Zitat

    sascha schrieb:


    Zusammenfassung und Kommentar zum Artikel „Faunistik als Zukunftswissenschaft“ von Herrn Prof. Dr. Bernhard Klausnitzer in der aktuellen „Entomologischen Zeitschrift“, Band 117, Februar 2007-02-22


    Die Bedeutung der Faunistik für die biologische bzw. zoologische Grundlagenforschung ist nach wie vor von enormer Bedeutung. Nur sie widmet sich dem modernen Schlagwort der Biowissenschaften, Ökologie und des Umweltschutzes erschöpfend: Die Biodiversität. Faunistik, also die detaillierte Artenkenntnis, stellt mit dem Wissen um Systematik, Taxonomie, Verbreitung, Lebensweise, Umweltansprüche und auch Gefährdungsstatus das Fundament der Biologie. Doch der Bedeutung dieser Disziplin wird und wurde in den letzten 30 Jahren nicht hinreichend Rechnung getragen. Faunistik – insbesondere die Entomologie – verschwinden zunehmen aus den wissenschaftlichen Institutionen, den Universitäten und Museen. Sie wird sogar aus dem Lehrplan zahlreicher Universitäten praktisch vollkommen gestrichen und ist auch an den Schulen massiv auf dem Rückzug. An der Altersstruktur entomologischer Vereine wird dies deutlich: Es fehlt an Jugend. Dafür verlagerte und verlagert sich die Faunistik nach wie vor zunehmend in den privaten Bereich interessierter Laien. Freizeitentomologen stellen heute einen beachtlichen Teil der faunistischen Forschung, doch wo bleibt der wissenschaftliche Beistand? Wer überwacht die wissenschaftliche Qualität ihrer Arbeit und der resultierenden Veröffentlichungen? Und wer leitet zum professionellen wissenschaftlichen Arbeiten an? Zudem werden nur wenige große Gruppen, wie Schmetterlinge und Käfer gut erfasst. Doch wer kümmert sich um die „Stiefkinder“ der Entomologie?


    Die nächste Entomologengeneration vielleicht, wenn es mehr als eine partielle Generation wird.


    Zitat

    sascha schrieb:
    In der Öffentlichkeit und sogar in den wissenschaftlichen Kreisen hat sich eine Missachtung, ein negatives Ansehen gegenüber der Faunistik breit gemacht. Studenten bekommen weder einen Anreiz noch eine Chance sich an deutschen Universitäten intensiv mit „faunistischer“ Entomologie zu befassen. Eine wissenschaftliche Karriere auf diesem Gebiet aufzubauen, ist ungleich schwieriger als im molekularbiologischem Bereich. Publikationen in diesem Bereich zählen einfach nicht so viel wie in der Molekularbiologie, obwohl ebenso anspruchsvoll und werden von den großen Printmedien praktisch nicht mehr berücksichtigt.


    Und von der nicht-wissenschaftlichen Öffentlichkeit werden Entomologen oftmals als Insektenmörder abgestempelt.


    Stichwort: Bambi-Fraktion.


    Zitat

    sascha schrieb:
    Eine öffentliche Meinung, die sich auch durch die Naturschutzgesetzgebung auf entomologische Freizeitforschung auswirkt – eine Gesetzgebung, die nach wie vor nicht zwischen der Entnahme eines Adlers und eines Schmetterlings aus der Natur unterscheidet und damit praxis- und wissenschaftsfern ist.


    Mehr als fern, aber ich glaube, dieses :böse: :böse: :fluchen::bibber: :daumennein: :böse: Gesetz dürfte hier im Forum auch schon mal in seine Bestandteile zerdiskutiert worden sein. Wenn nicht, dann kann das von mir aus ruhig der Anfang davon werden.


    Zitat

    sascha schrieb:
    Was ist nun mit der Faunistik als Zukunftswissenschaft? „Alle reden von Biodiversität, wir erforschen sie“. Wenn wir weiterhin den faunistischen Sektor an der Universitäten absägen und es den Laienentomologen schwer machen, wird es unmöglich werden, dem Übereinkommen über die Erforschung und den Erhalt der biologischen Vielfalt gemäß der Konferenz von Rio und der nationalen „Biodiversitätsstrategie“ Deutschlands gerecht zu werden.


    Typisch: Für alles zwei Gesetze zu viel und drei Lösungen zu wenig.


    Zitat

    sascha schrieb:
    Welche Lösungsansätze bieten sich uns nun? Es ist natürlich einfach Mittel und Stellen für entsprechende Bildung und Forschungsvorhaben an den Universitäten, Museen und anderen wissenschaftlichen Institutionen einzufordern. Nur wird dieser Forderung nicht entsprochen werden, wenn das Bewusstsein in der allgemeinen Öffentlichkeit wie auch bei den Kollegen der anderen Fachgebiete der Biowissenschaften sich nicht ändert d. h. die Notwendigkeit der Forschung nicht erkannt wird.


    Kleiner Zusatz: Solange die Forschung auch am Tropf der Industrie hängt. :aufstampfen:


    Ich sehe irgendwie tiefes Schwarz für die Berufsaussichten von Faunisten.


    Alles in allem:


    DU BRINGST ES AUF DEN PUNKT!!!


    Nur muss das dann noch irgendwie den Politikern und ähnlichen hinter dem Mond lebenden Spezies beigebracht werden. :hilfe:

  • Wie oben geschrieben, glaube ich, dass das tatsächlich von uns und gar nicht mal von den Politikern abhängt. Wenn die wissenschaftliche Gemeinschaft wieder den Wert dieser Arbeit und Aufgabe erkennt, dann werden die Mittel schon wieder fließen, Stellen geschaffen werden und die Bildung nachziehen. Auch eine Verzahnung mit der Industie könnte eher sogar nützlich sein - auch für Faunisten - denn in sehr naher Zukunft werden viele Wirtschaftszweige auch hinlänglich ihrer Umweltverträglichkeit bzw. ihres Umweltengagement beurteilt werden, wovon ebsonders auch biodiversitätsstudien profitieren könnten, wenn sie sich richtig verkaufen würden.


    LG
    Sascha

  • OK, und wie könnte es denen beigebracht werden?


    Dass wir bei den anderen Wissenschaftlern und der Öffentlichkeit nicht so beliebt sind, stimmt ja, aber die Politik legt Faunisten ja auch Steine in den Weg. Wie soll man denn zum Beispiel eine vernünftige Artenerfassung machen, wenn man trotz Auftrag wegen dem Paragraphendschungel keine Genehmigung kriegt und hinterher für die getane Arbeit auch noch bestraft wird(Quelle:Entomologie.de/forum)?


    Wenn man die öffentliche Meinung änderTE oder zumindest die Wissenschaftler auf seine Seite ziehen könnte, könnte man die Politiker ja zum Umdenken zwingen, aber die öffentliche Meinung wird sich ja höchstens von selbst ändern(wenn solche Sachen wie 'die Schmetterlinge Atmen mit den Flügeln', habe ich vor ein paar Jahren wirklich mal gehört, weg sind und Bambifraktionisten nicht mehr den Großteil mancher Vereine.ev ausmachen) und die Politiker, zumindestens die erfolgreichen, schwimmen in solchen Fragen ja nie gegen den Strom...


    Wie und ob die Wissenschaftler ihre Meinung ändern, lasse ich lieber offen.

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