MADEIRA - Levadas, Lorbeerwald und Steilküste

  • Ganz überraschend hatte sich die Möglichkeit ergeben, Anfang Februar nochmal für eine Woche eine Urlaubstour zu unternehmen und die Wahl viel auf Madeira.
    Vor einigen Jahren war ich schon mal dort und daher war die Planung entsprechend einfach und schnell erfolgt.
    In erster Linie sollte es ein Wander- und Entspannungsurlaub werden, aber welcher Entomologe kann schon komplett die Finger ruhig halten?
    Und welche Partner/in erwartet dies dann auch strikt: bei mir zum Glück niemand.
    So haben wir im Januar noch schnell eine Woche Funchal gebucht und am 10. Februar ging´s von München über Lissabon nach Funchal.


    War es in München noch um die 0°C und Schnee, erwartete uns in Lissabon Regenwetter, aber schon mal +12°C

    und in Funchal dann 19°C und Sonnenschein, zumindest am nächsten Tag, kamen wir doch erst am späten Abend an.


    Madeira liegt im Atlantik gut 1000 km südwestlich Portugals und 750 km westlich von Marokko.
    Die Insel zeichnet sich durch ein sehr gemäßigtes Klima aus mit Durchschnittstemperaturen von 26°C im August bis 19°C im Januar.
    Der Norden Madeiras ist geprägt von zahlreichen Niederschlägen, vor allem in den Wintermonaten und der Süden ist mitunter subtropisch geprägt.
    Quer von Ost nach West zieht sich eine Gebirgskette deren höchster Punkt der Pico Ruivo mit 1862 mNN ist. Diese Gebirgskette ist verantwortlich für die klimatische Zweigeteiltheit der Insel: Der Norden feucht, der Süden verhältnismäßig trocken.



    [map]madeira[/map]




    Dank eines Mietwagens hatten wir die Möglichkeit alle Ecken der Insel abzuklappern und waren so oft "on the road" und oft auch wieder an den gleichen Stellen, weils da einfach besonders schön war......oder waren dort einfach mehr Schmetterlinge oder besonders gute Restaurants.....schlimme Zungen würden sowas wohl behaupten. :grinning_squinting_face:


    Aber, weil´s halt immer wieder kreuz und quer ging, werden wir hier im Reisebericht einfach mal eine angenommene Rundtour entgegen des Uhrzeigers machen.


    Wir beginnen im Nordosten bei Canical.
    Hier soll sich angeblich die trockenste Ecke Madeiras befinden. Bei meinem ersten Besuch Madeiras vor Jahren hat es mich hier komplett eingeregnet und auch dieses Mal war bei unserem ersten Abstecher hierher der Himmel nach kurzer Zeit wolkenverhangen und es begann kurz darauf zu regnen. Hah, trockenste Ecke!
    Erst beim zweiten Anlauf hatten wir Glück und konnten die Gegend ein bisschen erkunden.



    Ganz auffällig waren eine große Menge an Vanessa cardui (Distelfalter) und Colias crocea (Wandergelbling), die zu Dutzenden ihre Kreise zogen.

    Es gab große Bestände von Echium plantagineum, dem wegerichblättrigen Natternkopf

    und Distel und Malven

    Die Disteln waren vor einiger Zeit komplett aufgefressen worden. Dies wohl von einer zuvorigen Generation der V. cardui

    welche dann aus Ermangelung weiterer Disteln auf die Malven als Eiablagepflanzen auswichen, worauf jetzt noch erwachsene Raupen zu finden waren.

    Jetzt dagegen konnten wir wieder V. carduii Weibchen beobachten, die ihre Eier auf die neuen Austriebe der Disteln legten und auch schon L2 und L3 Raupen waren vereinzelt zu finden.



    Über die niedergefressenen Malven patrollierten derweil hunderte von Wespen.
    Ob diese wohl die Gegenspieler der V. cardui waren oder nur zufällig dort flogen? Vielleicht kann ja ein ACTIAS-Mitglied dies klären?


    In den blaublühenden Natternkopf-Beständen, die die Hauptnektarquelle darstellten, waren auch noch andere Lepidopteren zu finden.


    Utheteisa pulchella zB, sowohl als Raupen, als auch als Imago.

    und anderes

    Etwas weiter die Hügel hoch wurden wir dann auch in Bezug auf die Colias crocea fündig.

    Es waren nun nicht mehr dutzende von Tieren, die dort flogen, sondern Hunderte. Die meisten saßen am Boden, wegen den anhaltenten Windes, der stetig wehte. Nur in geschützten Senken war es für die Tiere günstiger und wenn dort noch Nektarpflanzen waren sah man die Tiere sich dort bevorzugt aufhalten.
    Bei jedem Meter, den man ging, scheuchte man Tiere vom Boden auf, die, für mich bis dahin ganz untypisch im Verhalten, nur gut 5-10 Meter flogen, um sich dann wieder in die niedrige Vegetation zu setzen.

    Wo soviele Tiere unterwegs waren, durften auch die Präimaginalstadien nicht weit sein. Wir fanden unzählige Eier und allerhand Raupen in kurzer Zeit.

    Ein Stückchen weiter, in der Nähe der Windräder fanden wir dann auch den ersehten ersten Hinweis auf Acherontia atropos: einige alte Kotballen unter einer Nicotina glauca-Pflanze. Aber leider keine Raupen.
    Schade, denn bisher ist mir kein Nachweis von Acherontia atropos von Madeira bekannt. Es wäre also schön gewesen, ein solches Vorkommen mit einem konkreten Fund zu bestätigen, ist die Art doch sowohl von den Kanarischen Inseln, als auch von den Azoren gemeldet.

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  • Wenn man die nördliche Küstenstraße weiter fährt, kommt man in den feuchten Bereich Madeiras.

    Die Küstenlinie ist extrem steil und stellte die Straßenplaner schon immer vor große Schwierigkeiten. Hinzu kommt die starke Erosion des Lavagesteins durch den wuchernden Pflanzenwuchs. So wurden seit einigen Jahren mit Hilfe der EU viele Tunnel gebaut, die ein sicheres, aber langweiliges, Fahren möglich machen.
    So fährt man mehr oder weniger in Tunneln von Siedlung zu Siedlung.
    Anbei mal ein Bild der vor einigen Jahre gesperrten alten Küstenstraße, die sich in abenteuerlicher Weise die Steilküste entlang schlängelte.

    Jetzt stelle man sich darauf mal Busverkeher vor......heute ist sie nur noch auf eigene Gefahr befahrbar.
    Selbst zu Fuß hat man ein mulmiges Gefühl: links die Steilwand hoch, dann eine 4 Meter breite Straße und dann senkrecht 50 Meter runter ins Meer.
    Und überall liegt Steinschlag.

    In diesen Bereichen fand ich vor Jahren das erste Mal Raupen von Vanessa vulcanica, was mir dieses mal jedoch leider verwehrt blieb.
    Am westlichen Ende liegt Porto Moniz, ein beliebtes Ausflugsziel für alle Madeirabesucher, das mit tollen Naturschwimmbecken punkten kann.

    Wenn man an der Küste weiter fährt ändert sich etwas die Vegetation. Die Hänge sind für kurze Zeit nicht mehr ganz so schroff und lassen etwas mehr Landwirtschaft und Siedlungsbau zu. An Bäumen herrschen Eukalyptus und Kiefern vor und natürlich die allgegenwärtige Baumheide.


    Wenn dann der östlichste Punkt Madeiras erreicht ist, beim Leuchtturm von Ponta do Pargo, ändern sich die Gegebenheiten wieder grundlegend.
    Die Südseite Madeiras mit ihrer Steilküste zeigt sich in ihrer ganzen Pracht.

    und lädt zu einer Verschnaufspause ein, bei der auch gut Kontakt zur einheimischen Bevölkerung aufgenommen werden kann.

    Im Schutze des Leuchtturms standen dann ein paar besonders schöne Pflanzen von Echium fastuosum (Madeira Natternkopf).

    und dort fanden sich dann auch die Gesuchten Vanessa vulcanica.

    und jede Menge Hummeln und auch ein Macroglossum stellatarum (Taubenschwänzen) zog seine Runden. Aber leider zu schnell für den ältlichen Fotografen.

    Aber leider waren auch hier keine Raupen von V. vulcanica zu finden. Anscheinend war es Beginn der Flugzeit, denn die Tiere sahen alle noch, bis auf wenige Ausnahmen, ausgesprochen frisch aus.

  • Die Südküste Madeiras ist auch das Heim einer anderen Sphingiden-Art, deren ich unbedingt habhaft werden wollte: Hyles geckii.
    Die Hänge sind immer wieder von Beständen von Euphorbia dendroides, der Baumwolfsmilch durchzogen. Aber aufgrund der Topografie ist es nur schwer möglich, an diese Pflanzen ran zu kommen. Wie man sich vorstellen kann, sind die Wege, die durch diese Felsen führen, recht dünn gesäht.

    Aber mit ein bisschen Geduld findet man immer mal wieder auch den Straßen Stellen, an denen die Wolfsmilch bis zum Straßenrand wächst und dort hatten wir auch Glück.

    Wir fanden Raupen in allen Stadien.
    Hier am Hang hoch, man kann sagen der "Wohlfühlbereich" zum Sammeln.





    Und hier am Hang abwärts, der "Bauchkribbelbereich" zum Sammeln.

    Die Art war sehr gut vertreten, viel besser als einige Jahre zuvor. Aber so wie auch vorher war eben das größte Problem Pflanzen zu finden, die zugänglich waren, ohne dass man sich den Hals brach.
    Diese Wolfsmilchbestände ziehen sich die gesamte Südküste entlang bis nach Funchal und drüber hinaus. Und immer wieder konnten wir Raupen einige Meter die Hänge hoch oder hinunter sehen.
    Bei dieser Gelegenheit fanden wir auch ein zweites Mal Kotspuren von einer Sphingidenraupe unter einer Nicotina glauca-Pflanze, die eigentlich nur den Schluß auf A. atropos zu ließ. Aber leider wieder keinen konkreten Nachweis.


    Um das Landesinnere per Auto zu erkunden stehen ein paar wenige Straßen zur Verfügung.

    Der Lorbeerwald, Baumheide und Kiefernwälder herrschen hier vor.
    Leider hat es 2012 auf Madeira großflächig gebrannt und viele Bäume, hauptsächlich auf der Südseite der Insel sind ein Raub der Flammen geworden.
    Bis hinauf zum höchsten Gipfel Madeiras verrichteten die Flammen ihre gnadenlose Arbeit, die zu mach gespenstischer Stimmung in Verbindung mit Nebel und Wolken führt.

    Hier auf dem Pico Ruivo, auf über 1800 Metern Höhe, ist man oft über den auf die Nordseite der Insel sich häufenden Wolken und die Stimmung ist grandios.

    In schattigen Senken hält sich dort Dauerfrost.

    Und auf dem Weg nach unten fand ich den einzigen Käfer, der mir in einer Woche Madeira vor die Linse kam. Kann ihn jemand bestimmen?

    Die beste Möglichkeit jedoch, das Inselinnere zu erkunden, ist aber per pedes und auf Madeira am besten entlang der Levadas. Hier handelt es sich um ein altes Bewässerungssystem, mit dessen Bau man bereits kurz nach der Besiedelung Madeiras im 15.Jahrhundert begonnen hatte. Zur Vollendung reifte das ganze Projekt durch arabische und afrikanische Sklaven, die zur Zuckerrohrproduktion im 17. Jahrhundert nach Madeira verschleppt wurden.
    Unter halsbrecherischen Bedingungen wurden von diesen Sklaven die Rinnen in den Fels gehauen, Tunnels geschlagen und Wasserrutschen ersonnen.
    Wie banal erscheint unter solchen Umständen unser Bewässerungssystem in Form von Rohrleitungen?

    Viele dieser alten Levadas sind speziell für Wanderungen hergerichtet und gesichert worden und stellen eine gute Möglichkeit dar, die Flora und Fauna zu erkunden.

    und hier noch ein bisschen einheimische Tierwelt

    An anderer Stelle wieder ein wunderschöner Bestand an Natternkopf

    und da, wieder mal die alten Kotballen einer großen Raupe, es war zum Verzweifeln.


    Wer soviel fleißig unterwegs war, wie wir, hat sich natürlich auch ein bisschen Entspannung verdient.
    Und Funchal bietet dies in schöner Mischung: es ist nicht gaaaanz so schlimm touristisch angehaucht, wie zB die Mehrzahl der Kanarischen Inseln.
    Funchal hinterläßt hier mehr den Eindruck der Provinzhauptstadt, als der Ballermann-Oase. Zum Glück.

    Auch wenn viele Kreuzfahrten hier einen Stop einlegen, um die Stadt, ihre berühmte Markthalle und weitere Besonderheiten zu erkunden.

    Blumeninsel Madeira


    Und wenns in Funchal zu stressig wurde, blieb da immer noch die Entspannung am Pool

    oder auf dem Balkon bei einem Gläßchen Roten

    Und dann am letzten Tag, kurz vor dem Abflug, die Postkarten noch schnell geschrieben im Stammlokal,

    finden wir keine 100 Meter vom Hotelpool entfernt, das Objekt der Begierde.

    Suchbild:


    Kann ein Urlaub einen schöneren Abschluß finden?
    Außer vielleicht dass man bei Ankunft in München nicht von plus 20°C auf Minus 5°C runter gekühlt wird.


    Ich hoffe, es hat euch Spass bereitet den Reisebericht zu lesen und ich konnte ein bisschen Fernweh säen.


    Wenn jemand Informationen zum Auftreten Acherontia atropos auf Madeira hat, wäre ich froh diese zu erfahren.
    Und wenn jemand Pflanzen oder Tiere auf den obigen Fotos bestimmen kann, dann nur zu. Würde mich freuen.


    In diesem Sinne: Servus!


    Rudi

  • Servus Rudi,


    Danke für den schönen Reisebericht, echt tolle Texte und Bilder.


    Aber eins nehm ich Dir nicht ganz ab, Du fütterst Katzen???? Niemals!!!! Da hat wohl Deine Gute die Hände im Spiel gehabt. Des zeig ich morgen mal Paule, und wehe Du kommst ins Altmühltal ohne Leckerlis für Katz und Huskyteenie Finja.




    LG
    Annett

  • Hallo Rudi,


    ein Bericht vom Allerfeinsten, vielen Dank.


    Das heitert ein bisschen auf und gibt Vorgeschmack für den Frühling. Ich bekomm eh schon Winterdepressionen hat´s doch heute Nacht wieder geschneit bei uns und es liegen zur Zeit ca. 20 cm Schnee hier, da ist so ein Bericht zum Frühstückskaffee schon was sehr schönes.


    Etwas "neidische" Grüße, Heiko

  • Moin Falk.


    Freut mich, dass es dir gefällt und es war doch gut für dich, dich zu gedulden, oder? Von wegen nur mal schnell ein paar Bilder rein hauen. :winking_face:
    Danke für die Bestimmung der Schlupfwespe. Ich bin mir sicher, dass die Weibchen in den ganzen Malvenwäldern genügend cardui-Puppen für ihre Eier finden konnten.
    Wenn sich noch jemand für die Biologie dieser Wespenart interessiert: Insektenbox: Schwarze Schlupfwespe
    Wenn ich mir vorstelle, dass jede Wespe die wir sahen, einen aufgefressenen cardui bedeutet: wahnsinn, wenn die cardui alle ausgeschlüpft wären. Die vorhandenen Futterpflanzen hätten nie gereicht.
    Da sieht man mal, wie gut es ist, dass auch die Gegenspieler in ausreichender Menge vorhanden sind.


    Klaas, auch dir Danke für den Bestimmungsversuch.
    Leider habe ich nur das eine Bild, denn das liebe Tierchen ließ sich sofort in den Untergrund fallen, als ich ihm für das geplante zweite Bild zu nahe kam.


    Und Annett.....du hast ja keine Ahnung was das liebe Kätzchen das aus der Dose schlabbert. :kissing_face:
    Ich kann das gerne mal mit eurem Paule versuchen, aber dann wird der sowas von heiß, auch ohne seine mittlerweile abgängigen Hüftkugeln.


    Und an alle Anderen: freut mich euch ein bisschen aufgeheitert zu haben, in all dem derzeitigen Schneegetümmel und Frostbeutelmist, den wir in Mitteleuropa haben.
    Aber, denkt bitte auch ein bisschen weiter.
    In wohl kaum mehr als 3-5 Wochen werden die ersten zu früh geschlüpften Endromis versicolora und Aglia tau in euren Puppenkästen sitzen.
    Bei mir und ein paar anderen Züchtern werden es die Langia´s sein!
    Also, nach vorne sehen bitte und jetzt unbedingt die Vorbereitungen für das treffen, was uns bald erwarten wird: Zuchtstreß vom feinsten!


    Servus
    Rudi

  • Hallo Rudi,


    schöner Reisebericht! Und die vielen Hariboboxen lassen auf das eine oder andere Angebot hier in der Börse hoffen :winking_face:
    Hast du eigentlich irgendwas in Richtung Kohlweißlinge auf Madeira gesehen? Der große Kohlweißlich Pieris brassicae wollastoni gilt ja als möglicherweise ausgestorben. Hast du kleine beobachten können? Die sollen ja eingeschleppt sein.
    Welche natürlichen Futterpflanzen gäb es denn so auf Madeira für die Weißlinge? Kohlfelder gabs ja da nicht immer.


    VG Chris

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  • Servus Chris.


    Danke fürs Feedback.


    Kleine Kohlweißlinge waren unterwegs, aber nicht viele.
    An den Straßenrändern wächst gelegentlich was, das wie unser Ackersenf (Sinapis arvensis) aussieht.
    Wäre ne mögliche Futterpflanze. Aber ob die dort wirklich heimisch ist und ob es sich auch wirklich um eine Brassiceae handelt, kann ich dir mit Gewissheit nicht sagen.


    Tschau
    Rudi

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