Wanderverhalten A. atropos

  • Hallo in die Runde,


    ich möchte mal ein paar Sachen in die Diskussion werfen:


    1. Es ist völlig klar wie hier schon manche geschrieben haben, dass es keine gesicherten Befunde (damit meine ich Beiträge in Fachzeitschriften, die begutachtet werden und nicht in Atalanta, irgendwelchen Büchern oder gar Internetbeiträgen) für Rückwanderungen gibt, also sollte man dies als eine mögliche Hypothese ansehen. Die Gegenhypothese "Ausbreitungsversuche nach Norden mit ungewissem Ausgang" hat daher mindestens gleiche Berechtigung.


    2. Der Distelfalter ist ein gutes Beispiel für ungerichtete Ausbreitung, daher ist die Art fast weltweit verbreitet und hat es sogar bis nach Australien geschafft (und das liegt nicht nördlich des Mittelmeergebiets). Im Übrigen sind die Wanderbewegungen auf anderen Kontinenten oft anders ausgerichtet (wenn sie überhaupt gerichtet sind). So fliegen verschiedene Arten aus den tropischen Regionen Afrikas und Arabiens in die syrische Wüste ein (z. B. Junonia orythia).


    3. Eigentlich wird nur beim Admiral wegen der vielfältigen Beobachtungen eine Rückwanderung hartnäckig postuliert. Bei anderen Arten wie Wandergelbling, Distelfalter und einigen Schwärmern ist das nicht der Fall. Hier findet man sich damit ab, dass sie den Winter in der Regel nicht überstehen. Der Admiral ist mittlerweile klar bodenständig (wenn er es nicht schon sehr lange Zeit war). Es gibt auch Hinweise darauf, dass der Admiral weniger aus dem Mittelmeergebiet als vielmehr aus den Auengebieten Osteuropas zu uns kommt (Wer hat im Mittelmeergebiet schon so viele Brennnesseln gesehen und so besonders häufig ist der Admiral dort auch nicht).


    4. Nochmal zum Admiral. Die Beobachtungen der vermeintlichen Rückwanderung nach Süden kann man auch anders interpretieren, wie hier auch zum Teil schon geschehen. Es bleibt eben unklar wie weit die Tiere wirklich ziehen und wer mal das Lepiforum durchforstet, der wird etliche Berichte finden, in denen gerade auch West-Ost Wanderungen entlang der Alpennordseite beobachtet wurden. Der Mensch will zum Teil auch sehen, was er sehen will (wie mit dem Loch Ness-Monster). Daher halte ich den Admiral eher für einen Binnenwanderer, der sich zum Winter eben mancherorts in wärmere Lagen zurückzieht (z.B. vom Schwarzwald in den Kaiserstuhl etc.). Ganz so blöd sind die Viecher vielleicht doch nicht. Obwohl es auch Beschreibungen von Admirälen gibt, die sich im Oktober noch an der holländischen Nordseeküste tummeln, aber da ist es im Winter ja auch eher mild.


    Also abschließend bleiben natürlich viele Unklarheiten und so ist es letztlich eine Glaubensfrage, aber bitte nennt die Rückwanderung nur eine Hypothese und seht es nicht als die Wahrheit an. Der Grund warum ich persönlich nicht an die Rückwanderung glaube ist ganz einfach der, dass es in der Natur viel häufiger vorkommt, dass Dinge "ausprobiert" werden als dass sie primär zielgerichtet stattfinden - das ist eben Evolution. Und so ist für mich erstmal der "Ausbreitungsversuch nach Norden mit ungewissem Ausgang" die logischste Annahme, bevor ich so ein komplexes Verhalten wie eine zielgerichtete Rückwanderung ohne stichhaltige Beweise in Erwägung ziehen würde.


    Schöne Grüße,
    Matthias

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  • Hallo nochmal,
    Ich bin auch der Meinung, dass solche Beobachtungen nicht genügend Auskunft über Wanderungen geben und Tiere vielleicht tatsächlich ohne konkretes Ziel neue Lebensräume suchen vielleicht aber auch nicht. Beim Totenkopfschwärmer und auch bei vielen anderen Arten bleibt dann aber noch die Frage offen, wieso die Tageslänge die Eireife beeinflusst. Darüber das dies in irgend einer Weise der Fall ist sind wir uns wohl einig. Aber wie so oft in der Natur gibt es bestimmt einen Grund dafür. So beeinflusst die Tageslänge die Imaginalentwicklung einheimischer Tagfalter die in ihren Puppen überwintern. Bei den Totenkopfschwärmern aber die Eireife. Natürlich ist das nur eine Hypothese, aber es würde mit einer größeren Wanderung einhergehen und zumindest eine Hinwanderung scheint ja auch stattzufinden.
    Gruß, David

    • Offizieller Beitrag

    Aber warum sollte das bei diesen Arten anders sein, als bei Admiral und Distelfalter

    Tolle Begründung. Wieso sollte man bei völlig verschiedenen Arten mit völlig unterschiedlichen Strategien alle in einen Topf werfen? Selbst wenn man für eine Art den Rückflug nach Süden belegen könnte würde das über die anderen überhaupt nichts aussagen. Im Übrigen wird das meines Wissens wie oben geschrieben bei Schwärmern und anderen Wanderfaltern (C. croceas) auch nicht postuliert. Eigentlich wird das nur bei V. atalanta und cardui gemacht.


    Im Endeffekt führt die Diskussion so zu nichts. Man bräuchte dazu verlässliche Daten, die das eine oder das andere belegen können (nicht nur Beobachtungen wie "flog gerade ein paar hundert Meter zielstrebig nach Süden"), aber so lange bleibt beides eben nur eine Hypothese. Der Methode folgend wie gerne in der Evolutionsbiologie verfahren wird, wenn Verwandschaftsbeziehungen unklar sind, wird die Erklärung die am sparsamsten ist bevorzugt. So sehe ich es hier auch. Die Hypothese, dass sie nicht zurückfliegen erfordert weniger Schritte und wesentlich weniger Komplexität. Aber solange warte ich gerne auf den Tag an dem endlich jemand vernünftige Daten dazu gewinnen kann.


    Gruß Dennis

  • Hallo,


    mir fällt noch eine wichtiger Punkt dazu ein:


    Es ist so, dass in manchen Jahren die Haupteinwanderung sehr spät stattfindet, nach eigener Erfahrung und von bekannten Entomologen erst Mitte August bei extremen Hitzewetterlagen (Südwestströmung) beim Taubenschwänzchen, Wandergelbling und Windenschwärmer.
    Wie sinnvoll ist es in dieser Jahreszeit noch zu kommen, um dann im Oktober wieder zurückzufliegen?
    Hat schonmal jemand einen Zugvogel gesehen, der erst im Spätsommer anreist?


    Meist ist es eben so, dass sich die Populationen vom Frühjahr bis zum Herbst in den Stammgebieten aufbauen und dann bei Überbevölkerung (Nahrungsknappheit) abgewandert wird. Das findet dann oft bis in den Herbst hinein statt. Ich selbst habe mal einen Windenschwärmer in den französischen Alpen nahe Briancon auf knapp 2000 m. Höhenlage beobachtet. Er war noch recht frisch und ich vermute, dass er auf dem Weg nach Norden war. Andere hätten hier sicher das Gegenteil behauptet, aber sicher weiß es keiner. Nur guckt euch mal die Nachweise des Windenschwärmers in Mitteleuropa an, die meisten kommen aus dem August/September. Ein Bekannter von mir hatte 3 Stück letzten Herbst an der Lichtfalle.


    Über diese Gegebenheiten sollten sich die Anhänger der gezielten Rückwanderung mal Gedanken machen


    Schönen Tag noch,
    Matthias

  • Hallo zusammen,
    ich bin erstaunt über das hohe wissenschaftliche Niveau bei dieser Diskussionen. Natürlich wissen wir nicht viel, aber es gibt doch einige Indizien, die für eine zumindest partielle Rückwanderung sprechen.

    Tolle Begründung. Wieso sollte man bei völlig verschiedenen Arten mit völlig unterschiedlichen Strategien alle in einen Topf werfen?

    Dennis, glaubst Du denn im Ernst, dass jede Art hier eine völlig eigene Strategie entwickelt hat? Man sollte sich mal die wesentlich besser erforschten Zugvögel anschauen: Auch wenn es hier durchaus unterschiedliche Strategien gibt, so wandern doch alle Zugvogelarten, ob Weißstorch, Zilpzalp oder Bienenfresser im Herbst in den Süden und im Frühjahr nach Norden. Sie wechseln ihren Lebensraum, weil sie ansonsten verhungern oder erfrieren würden. Man kann in dieser Frage also schon etwas generalisieren. Auch bei vielen anderen Wirbeltiergruppen sind solche WAnderungen ausreichend belegt. Mir erschließt es sich nicht, warum das bei Insekten völlig anders und dann noch von Art zu Art völlig unterschiedlich sein sollte.
    Wie bei den Zugvögeln wird auch bei den wandernden Schmetterlingen eine ökologische Strategie dahinter stecken, die dieses Model in der Evolution begünstigt hat, sonst wären die Wanderfalter schon längst ausgestorben. Welche Strategie sollte dahinter stecken, jedes Jahr nach Norden zu ziehen, um dann hier zu verenden oder gefressen zu werden? Dann können die Tiere doch gleich im Herkunfstgebiet verenden oder als Vogelfutter dienen! Nein, das Ausweichen nach Norden, wenn es im Süden zu heiss und trocken wird und Nahrungsknappheit herrscht, muss evolutiv irendwelche Vorteile bringen. Vielleicht reicht es ja, wenn es nur einige wenige zurückschaffen. Ich will ja gar nicht behaupten, dass jedes hier geschlüpfte Tier es zurück ins ehemalige Herkunftsgebiet schaffen muss (Ist bei den Vögeln übrigens auch nicht so, hier bleiben ebenfall viele bei den Wanderungen auf der Strecke). Aber wenige könnten hier in den Herkunftsgebieten wieder schnell neue große Populationen bilden, wenn die Bedingungen wieder stimmen.
    Leider wird es meiner Meinung nach auch in Zukunft kaum wissenschaftlich belastbare Antworten auf die vielen hier bisher nicht beantworteten Fragen geben. Weil es eben bei den Insekten so schwierig ist. Vielleicht sollte Dennis jedes Jahr ein paar Tausend Wanderfalter markieren und versuchen diese im Süden wieder einzufangen. Das hat bei den Vögeln ja auch funktioniert. (Kleiner Spass muss sein!)


    Noch ein Punkt:

    nicht nur Beobachtungen wie "flog gerade ein paar hundert Meter zielstrebig nach Süden

    Wir haben das mit vielen Entomologen am selben Tag an unterschiedlichen Standorten beobachten können. Es waren auch nicht einzelne Falter, sondern es sind an jedem Standort oft Dutzende Falter, die die gleiche Verhaltensweise zeigen. Das spricht schon sehr für eine gezielte Wanderbewegung!


    Viele Grüße
    Klaus-Bernhard

    • Offizieller Beitrag

    Natürlich wissen wir nicht viel, aber es gibt doch einige Indizien, die für eine zumindest partielle Rückwanderung sprechen.

    Ebenso gibt es einige dagegen.

    Man kann in dieser Frage also schon etwas generalisieren. Auch bei vielen anderen Wirbeltiergruppen sind solche WAnderungen ausreichend belegt. Mir erschließt es sich nicht, warum das bei Insekten völlig anders und dann noch von Art zu Art völlig unterschiedlich sein sollte.

    Genau da liegt ein Problem man kann es eben nicht. Ich meine ja man kann es schon, bei vielen Arten mit ähnlichen Problemen führt das zu konvergenter Evolution. Und man könnte auch davon ausgehen, dass deswegen einige Arten sehr ähnliche Strategien entwickelt haben. Dennoch müsste man davon ausgehen, dass bei so einer Zahl an beteiligten Arten mit so unterschiedlichen Verwandschaftsverhältnissen mindestens ein paar aus der Reihe tanzen. Schmetterlinge mit Wirbeltieren bzw. Zugvögeln zu vergleichen ist auch nicht zielführend. Wirbeltiere haben eine komplett andere Reproduktionsstrategie. Und hier kommt das ins Spiel:

    Welche Strategie sollte dahinter stecken, jedes Jahr nach Norden zu ziehen, um dann hier zu verenden oder gefressen zu werden?

    Genau das ist der Punkt, bei Insekten spielt das Individuum keine so große Rolle wie bei den Wirbeltieren. Die Reproduktion ist auf Masse ausgelegt. Wenn es bei den Wanderfaltern in ihrem ständigen Verbreitungsgebiet einen Überschuss gibt, dann wandern eben Individuen ab, um weitere Nahrungsquellen und Lebensräume zu erschließen. Die finden sie in Mitteleuropa auch durchaus vor, nur macht ihnen eben der Winter einen Strich durch die Rechnung. Da ist überhaupt keine Strategie dahinter, außer die, dass nach Nahrung und Lebensraum gesucht wird. Jetzt könnte man sagen, aber dann müssten solche Individuen ja ausselektiert werden, wenn sie damit doch scheinbar alle draufgehen? Ja schon, aber würden sie da bleiben wahrscheinlich auch. Also ist der Selektionsdruck mehr oder weniger in beide Richtungen gleich groß. Die Chance sich irgendwo neu anzusiedeln ist auch durchaus nicht so klein. Man muss auch sehen, dass es für Individuen von Vorteil ist als erste neue Lebensräume zu besiedeln, da sie dort erstmal auf weniger Konkurrenz treffen. Von daher kann man davon ausgehen, dass es einen kleinen Vorteil bringt, das Risiko einzugehen.
    Und was man auch noch in Betracht ziehen sollte, ist das ein Wanderverhalten mit Hin-und Rückflug ziemlich komplex ist. Es erfordert extrem gutes Orientierungsvermögen (ja ist schon vorhanden ich weiß) und genaues Timing, Abstimmung mit den Wetterverhältnissen (die im Herbst für einen Rückflug selten gut sind, im Gegensatz zum Sommer wo sie öfter für einen Hinflug gut sind). Es ist nicht unmöglich, dass sich soetwas bei so vielen Arten gleichzeitig nebeneinander entwickelt, aber doch schon etwas unwahrscheinlich. Findet ihr nicht?


    Wenn Falter so frisch im Spätsommer oder Herbst zu sehen sind dann sind sie "höchstwahrscheinlich" wenn nicht sicher
    geschlüpfte Tiere aus der Frühjarsgeneration.

    Im Bezug auf C. crocea fällt mir dazu noch ein: Warum beobachtet man dann im Spätherbst (Ende September) hier noch Weibchen bei der Eiablage. Die Raupen werden den Winter garantiert nicht überleben und das die Falter dann noch wieder zurückfliegen ist mehr als unwahrscheinlich.


    Gruß Dennis

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    • Offizieller Beitrag

    Ich hoffe damit können die meisten Fragen beantwortet werden

    Was die angeblichen Südwanderungen angeht nicht.
    Ich hab mir mal so einen Jahresbericht durchgelesen und alles was ich dazu als Beleg lesen durfte, war das was hier im wesentlichen schon angesprochen wurde: Die Beobachtung von Faltern die nach Süden fliegen.
    Daraus werden dann aus meiner Sicht fragwürdige Schlüsse gezogen, die ganze Sache scheint mir wissenschaftlicher Objektivität ein wenig zu entbehren. An anderen Stellen wird die Südwanderung auch einfach vorausgesetzt ohne zu Begründen. Sogar auf der Startseite die du verlinkt hast, wird immerhin zugegeben Zitat: "Viel weniger wissen wir über die Rückflugwege und über die Anzahl südwärts ziehender Falter." Toll woher auch? Bevor man solche Sachen so offiziell postuliert, sollte man vielleicht erst mal vernünftige Beweise zugrunde legen. Zu sagen nach dem Motto:" Solange wir es nicht besser wissen ziehen sie halt nach Süden" halte ich für eine ziemlich merkwürdige Art der Argumentation. Ich frage mich bei diesen Beobachtungen der angeblich nach Süden ziehenden Falter auch, ob die Beobachter nicht schon von vorneherein erwarten, dass die Falter nach Süden ziehen und sich unbewusst schon darauf konzentrieren nur diese zu sehen. Wanderungen nach dem Zufallsprinzip sind Evolutionsbiologisch gesehen erst mal das erste und wahrscheinlichste was man erwarten sollte. Es gibt vielleicht stichpunktartige Anhaltspunkte für zielgerichtete Wanderungen, aber bevor man ein viel komplexeres System in Erwägung zieht, sollte man sich dessen schon ein bisschen sicherer sein. Es ist immer gefährlich und passiert schnell irgendwo Muster zu erkennen, wo keine sind.


    Gruß Dennis

  • Daraus werden dann aus meiner Sicht fragwürdige Schlüsse gezogen, die ganze Sache scheint mir wissenschaftlicher Objektivität ein wenig zu entbehren.

    Was wäre für Dich zum Beispiel eine wissenschafftliche Objektivität ?!


    Nebst Wissenenschaft gibt es halt auch Erfahrungswerte aus Beobachtungen und die sind eben doch etwas Wert !
    ÜBRIGENS IST DIE WISSENSCHAFT NICHT IMMER DIE DIE WISSSEN SCHAFFT ! Und oft werden auch hier immer wieder Sachen belegt und wiederbelegt,neu geschrieben
    zitiert,dokumendiert aber selbst dann ist nicht sicher ob es sich genau so verhält.
    Du bist nach Deinem Profil hier noch sehr jung und konntest noch nicht über 30 Jahre oder mehr eigene Beobachtungen machen aber was spielt es für eine Rolle
    in vielleicht 40 Jahren "so fern es dann noch Schmetterlinge gibt" was ich wirklich hoffen kann vielleicht mit 92 im Altersheim aus dem Fenster noch einen Schwalbenschwanz draussen vorbeifliegen zu sehen" :confused_face::face_with_open_mouth: Oh ja es dürfte bis dann vielleicht (Beispiel) auch eine wisseneschaftliche Studie geben mit der tausende mit Mikrochips ausgestattete Admirale in Deutschland im Golf von Gibraltar wieder eingefangen oder registriert werden und Du könntest es dann vielleicht mit Argumenten aus Deiner persöhnlichen Erfahrung und Beobachtungen diese Studie abwerten oder anzweifeln und sagen es ist nicht genau so wie es hier dargelegt wird.


    Ok, sorry Dennies aber dass musste jetzt sein wenn Dich auch all dass vorgelegte hier nicht überzeugt ist es ja Ok aber wie gesagt
    Wissenschaft ist auch nicht absolut und man kann es auch glauben oder nicht!


    Guten Wochenstart und Gruss


    André

  • Servus.


    wenn ich ganz allgemein was zum wissenschaftlichen Arbeiten ansich sagen darf... Wissenschaftliches Arbeiten besteht nicht nur aus empirischen Studien mit denen sich Beweise erbringen lassen. Das wäre natürlich der Idealfall, aber bei vielen Fragestellungen scheitern die Studien schlicht an der Realisierbarkeit oder auch an den zur Verfügung stehenden Mitteln.


    Die Grundlage wissenschaftlichen Arbeitens ist die Erstellung einer Hypothese oder Theorie. Eine Möglichkeit so eine Theorie zu erstellen ist zB die Induktion. Aus Einzelfallbeobachtungen schließt man auf eine Allgemeingültigkeit. Sprich weil Andre beobachtet dass einzelne Admirale gen Süden schwirren nimmt er an, dass Admirale allgemein eine partielle Reise nach Süden machen.
    Je mehr Experten solche Beobachtungen machen, um so mehr Substanz hat so eine Theorie dann. Natürlich wäre jetzt der Goldstandart die Theorie durch eine Studie zu belegen (nicht zu beweisen) aber aus den oben genannten Gründen geht das (zur Zeit noch) nicht.
    Deshalb greift die Wissenschaft auf einen Trick zurück. Das Falsifikationsprinzip. Jede Hypothese ist nur eine Arbeitshypothese und stellt nur den momentanen Erkenntnisstand dar und ist nur solange gültig, bis sie widerlegt ist.
    Dein Ruf nach mehr wissenschaftlichen Arbeiten ist also eigentlich unbegründet. Der momentane Kenntnisstand ist halt der, dass es eine partielle Rückwanderung gibt. Begründet durch Beobachtungen. Anzweifeln darf man so ne Hypothese natürlich gerne und muß man auch, sonst gibts ja keinen wissenschaftlichen Fortschritt. Aber der richtige Weg ist nicht der, nach eine Studie zu fragen (die wird es so schnell nicht geben) sondern die Hypothese zu widerlegen. Sprich wenn du nicht an eine Rückwanderung glaubst solltest du das belegen. Deine Argumente sind ja ganz gut. Aber es sind reine Annahmen und nichtmal durch Beobachungen belegt. jedenfalls steht nichts im Widerspruch zu einer partiellen Rückwanderung.


    Viele Grüße, Chris

    • Offizieller Beitrag
    Zitat von Brunschi

    Du bist nach Deinem Profil hier noch sehr jung und konntest noch nicht über 30 Jahre oder mehr eigene Beobachtungen machen aber was spielt es für eine Rolle

    Du sagst es:" Was spielt das für eine Rolle?" Was hat das bitte mit meinem Alter zu tun? Ich habe vielleicht nicht gerade 30 Jahre Erfahrung aber immerhin 10 und ein (hoffentlich) funktionierendes Gehirn. Außerdem die Möglichkeit auf Beobachtungen von Kollegen zurückzugreifen und Daten, Bücher etc. zu lesen. Ich finde nicht, dass dieses Thema den "heiligen" Alten mit jahrundertelanger Berufserfahrung vorbehalten ist.


    Zu dem was Chris schrieb:


    Das ist alles völlig richtig. Da gebe ich dir auch Recht.

    Sprich wenn du nicht an eine Rückwanderung glaubst solltest du das belegen. Deine Argumente sind ja ganz gut. Aber es sind reine Annahmen und nichtmal durch Beobachungen belegt. jedenfalls steht nichts im Widerspruch zu einer partiellen Rückwanderung.

    Nur so rum läuft das meiner Meinung nach eben nicht. Es steht eine ganze Menge im Widerspruch zur partiellen Rückwanderung. Die Hypothese mit der Südwanderung ist nämlich wesentlich komplexer und erfordert mehr evolutionsbiologische Schritte, als die dass sie es nicht tun. Hier würde dann die oben erwähnte Tatsache greifen, dass man die Hypothese die sparsamer ist bevorzugt. Ich meine warum sollte man lieber belegen, dass etwas nicht stattfindet, als dass etwas stattfindet? Außerdem sind meine Ausführungen nicht ausschließlich reine Annahmen, man kann bestimmte Beobachtungen nur so und so interpretieren. Im übrigen sollte man das auch auf eine Art festlegen, denn eigentlich hat man außer zum Admiral (und zum Distelfalter vielleicht noch) sowieso überhaupt keine Anhaltspunkte für eine Südwanderung. Jedenfalls wüsste ich nicht, wie das bei Windenschwärmer, Totenkopf, Wandergelbling etc. bitteschön begründet werden will?
    Man kann eben auch schon die Beobachtungsmethode als nicht sonderlich aussagekräftig anzweifeln. Damit kann man natürlich die Hypothese aufstellen, dass diese Falter nach Süden wandern, aber nicht wie weit. Weil dafür hat man eben keine Beobachtungen. Oder läuft jemand dem selben Falter die ganze Zeit hinterher? Wer kann damit belegen, dass der Falter nicht nach zehn Kilometern nach Osten abdreht oder gar nicht weiter fliegt?

    stellt nur den momentanen Erkenntnisstand dar

    Und wollt ihr mir wirklich weismachen, dass es eine gute Idee ist eine Hypothese auf nichts als die Beobachtung von nach Süden fliegenden Faltern, welche man wenn es gut läuft ein paar Kilometer beobachten kann, stützen wollt? Kann man natürlich machen, aber anzweifeln darf man das ja wohl. Selbst die Wanderbewegungen von wesentlich besser beobachtbaren Zugvögeln (um den blöden Vergleich auch mal zu bemühen) kann man so kaum vernünftig nachweisen. Warum wohl besendern und beringen die Forscher wohl Vögel? Sicher nicht weil man sie auch einfach nach Süden ziehen sehen kann und daran alles festmachen kann.


    Der Punkt ist doch, im Grunde weiß es keiner, jeder darf ja gerne seine Meinung/Hypothese dazu haben. Ich behaupte ja nicht, dass meine richtig ist, sondern erkläre nur warum ich eine andere Hypothese bevorzuge.
    Man sollte nur nicht behaupten, dass etwas definitiv belegt ist, dieses überall so verbreiten (wie von der DFZS betrieben oder wie am Anfang dieser Diskussion). Dafür sollte man dann schon stichhaltige Belege vorführen können, die über eine Hypothese hinausgehen.


    Gruß Dennis

  • Hallo liebe "Wander-Entomologen",


    viel Interessantes hier zu lesen. Hier mal eine Buchquelle zu Markierungen und Wanderungen, für alle die noch Bücher kennen.
    Die Neue Brehmbücherei, Bd.596, Jahr 1989 bzw. 1996, 'Wandernde Schwärmerarten' von Rolf Reinhardt, Kurt Harz, Seite 58-61.
    Auf S.61 steht dort zu dem, dass es Anfang unseres Jahrhunderts noch gebietsweise möglich war (evtl. schöne Grüße ins Rheingebiet) auf Raupensuche zu gehen - A.atropos betreffend.


    Interessant und für die "Beobachtung" von Schmetterlingen ausbaufähig ist noch die Sache mit dem harmonischen Radar, Nachzulesen bei Dave Goulson 'Und sie fliegt doch' (Hummeln - wer sonst :winking_face: ), 4.Auflage 2017, List Taschenbuch, S.87.
    Eine Transponderantenne von nur 12mg und leider nur einer Reichweite von 1km. Immens teuer. Aber schließlich wird der Mars anvisiert und das nur einen Wimpernschlag der Erdzeit, nachdem das Rad erfunden wurde. Vielleicht kann jemand in dieser Richtung auch die Sache mit den Markierungen zielführend weiterentwickeln.


    Schönen Tag der Einheit
    Steffen

  • Lieber Dennis,
    Deine Annahme

    Wanderungen nach dem Zufallsprinzip sind Evolutionsbiologisch gesehen erst mal das erste und wahrscheinlichste was man erwarten sollte.

    sind wissenschaftlich auch in keiner Weise belegt. Woher nimmst Du die Sicherheit, das so zu behaupten. Wenn man schon die Regeln des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns so intensiv bemüht, dann sollte man sich mit seinen Aussagen genauso strikt daran halten.


    Viele Grüße
    Klaus-Bernhard

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    • Offizieller Beitrag

    Natürlich sind sie das nicht. Kann mich auch nicht erinnern das behauptet zu haben. In dem Zitat steht ziemlich eindeutig:

    Zitat von bellargus

    Wanderungen nach dem Zufallsprinzip sind Evolutionsbiologisch gesehen erst mal das erste und wahrscheinlichste was man erwarten sollte.

    Ich bin weit davon entfernt irgendwas mit Sicherheit zu behaupten, ich weiß nicht warum das bei dir so rüberkam. Alles was ich sagen wollte ist, dass die Südwanderungen genauso wenig belegt sind wie irgendwas anderes und dass man wenn schon, beide Hypothesen gleichberechtigt behandeln sollte. Übrigens hier nochmal eine Definition von Hypothese des Dudens:


    „(Wissenschaft) von Widersprüchen freie, aber zunächst unbewiesene Aussage, Annahme (von Gesetzlichkeiten oder Tatsachen) als Hilfsmittel für wissenschaftliche Erkenntnisse“


    Nur weil das umgangssprachlich gerne durcheinander geworfen wird. Und das ist auch genau die Tatsache. Ich habe mit der von dir zitierten Aussage lediglich ein Argument gebracht, was in meinen Augen die "ungerichtete Wanderung" etwas wahrscheinlicher macht. Einfach weil sie weniger Komplexität erfordert und na ja den Rest habe ich wahrscheinlich schon zehnmal wiederholt. Jedenfalls war meine Absicht hier nicht zu behaupten, dass ich das mit Sicherheit sagen kann und ich dachte das hätte ich hier relativ klar gemacht:

    Der Punkt ist doch, im Grunde weiß es keiner, jeder darf ja gerne seine Meinung/Hypothese dazu haben. Ich behaupte ja nicht, dass meine richtig ist, sondern erkläre nur warum ich eine andere Hypothese bevorzuge.


    Gruß Dennis

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