Linienzuchten?

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  • Hallo Fabio,


    solche Zuchten gibt es, doch sie sind schwer zu halten und damit sehr selten. Ich selber habe das einige male versucht, meistens ohne längerfristigen Erfolg.Warum?


    Erstmal braucht man ja ein Ausgangsmerkmal, dass es zu festigen gilt. Bei Schmetterlingen ist das , zumindest aus meiner Sicht, eine Abweichung in Farbe/Muster. So eine zu erhalten ist schon relativ selten. Und die meisten Züchter haben dann wohl lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach, soll heißen, sie nutzen so einen Falter lieber direkt für die Sammlung als dass er seine Flügel abfliegt und an Qualität verliert.


    Nächstes Problem: der betroffene Falter muss fortpflanzungsfähig sein. Bei mir ist mal ein Papilio mit sehr abweichender Zeichnung geschlüpft. Ich habe mich für einen Zuchtversuch entschieden und das Weibchen verpaart. Nicht ein Ei war befruchtet. An sich war der Falter , verglichen mit seinen Artgenossen, eher unvital. Manchmal betrifft solch eine Mutation also nicht nur den Phänotyp, sondern auch Vitalität und Fertilität. Aber das kann man eben nicht immer wissen bzw. dem Tier ansehen.


    Das zu festigende Merkmal muss überhaupt vererbbar sein. Somatische Mutationen sind das nicht, Keimbahnmutationen aber schon.


    Außerdem braucht man bei Schmetterlingen ja sofort einen passenden Partner. Da können ein paar Tage warten schon zu lange sein.


    Weiterhin ist es sehr schwer, Rückkreuzungen durchzuführen. Die Elterngeneration lebt nicht lang genug, um sie mit den Nachkommen zu verpaaren. Klar, man könnte einen Teil der Puppen der Elterngeneration(P) im Kühlschrank kalt lagern und versuchen, diese zeitgleich mit der F1(gezüchtet aus gezielter Verpaarung des P-Mutanten mit einem normalen P-Falter) zum Schlupf zu bringen. Aber den Puppen kann ich ja ihre Konstitution nicht ansehen. und solche Mutationen sind selten. Warum sollte diese bei den Geschwistern der Elterngeneration auch vorkommen? wenn es WF-Puppen sind, handelt es sich möglicherweise nicht mal um Geschwister. Klar, die Mutation kann in der gesamten Ausgangspopulation rezessiv schlummern. Aber wer sagt mir das?


    Gut, dann versuche ich es ohne Rückkreuzungen. Also F1 mal F1. Bei rezessiven Mutationen sollte ich ja dann 25% Mutanten in der F2 haben. Aber nur, falls diese überhaupt erblich ist. Rezessiven Mutanten sehe ich das in der F1 ja nicht an. Mit einer Rückkreuzung auf den P-Mutanten wäre der Anteil an Mutanten aber schon wesentlich höher, bei 50 %.Geht aber nicht. Übrigens ist auch die Verpaarung zweier Tiere, die das Merkmal dominant ausprägen, nicht immer ratsam. Manche Mutationen lassen sich besser durch mischerbige Tiere ziehen.


    und falls das alles klappt, und solch eine Mutation dann doch mal gefestigt werden kann und du mehrere Tiere mit dieser züchtest, kommen die normalen Probleme der Schmetterlingszucht dazu. Infektionsanfälligkeit, Futterprobleme, vielleicht mal ein zu warmer/kalter Sommer , die Falter sind beschränkt verpaarbar, Männchen und Weibchen schlüpfen nicht gleichzeitig, Ameisen/Wespen fressen die Raupen weg und was weiß ich nicht alles. Solche Zuchten leben ja auch davon, möglichst viele Nachkommen groß zu ziehen, um den Anteil an Mutanten hoch zu halten und wieder die besten Tiere aussuchen zu können. Du hast also einen erheblichen Aufwand das alles durchzuziehen, wenn es erfolgreich sein soll.


    Es gibt/gab solche Zuchten bei Arctia caja, einigen Saturniden und Papilios.


    Grüße


    Felix

  • Moin,


    ich hab das über 10 Generationen, zum Ende hin sogar mit strikter Inzucht, bei Mimas tiliae f. brunnea gemacht.
    Die braune Färbung der Tiere konnte ich auf fast 100% festigen, aber weitere Änderungen in der Flügelzeichnung gab es nicht.
    Und in der F10 hat der Stamm dann das Handtuch geworfen: habe ein Tier davon in der Sammlung, not more.


    Rudi

  • Aufwändig ist sowas auf jeden Fall!
    ich habe über mehrere Generationen einen Antherina suraka Stamm selektiv gezüchtet, leider ist mir der dieses Jahr im Sommer gekippt. (Lag an den hohen Temperaturen)


    Das Ausgangstier mit leichter Aberration der Augenflecken sah so aus:


    das schönste Tier der F1:


    das ziemlich befriedigende "Endergebnis": (müsste F6 gewesen sein)


    Als Vergleich, ein "normales Tier":



    Ein paar Falter des Stammes sieht man auch in der Actias Galerie, da ich z.t Kokons von "reserve verpaarungen" an andere User abgegeben hab.

  • Oh schön,
    es hat ja doch noch jemand geantwortet.
    Im Nachhinein dachte ich erst, dass die Frage dösig ist, da man ja bei einer Linienzucht das Muttertier mit einem männlichen Nachkommen paart. (Jedenfalls machen das die Taubenzüchter), Wie oben von Felix beschrieben macht einem ja die Lebenserwartung des Muttertieres einen Strich dadurch.


    Könnte man nicht mit mehreren Zuchtlinien arbeiten?
    Welche Art wäre besonders geeignet?


    Nehmen wir mal den kleinen Fuchs...
    Auf welche "Veränderung" könnte man züchten?
    Gibt es bei dieser Art beispielsweise gehäuft abweichende Zeichnungen?

  • Hallo an Alle,


    Wollte auch ein bisschen Beitragen. Dieses Thema hat mich vor etwa 30 Jahren schon beschäftigt.
    Wie schon erwähnt, hat mich mein Vater auf dieses Thema, Zucht-Linien gut beraten. Er war Tauben-Spezialist. Er hat aber nie in seine Zucht direkt frisches Blut beigebracht. Er hat immer ein fremdes Männchen mit einer seinem besten Weib gepaart und dann von den, die Nachkommen in seine Zucht gebracht. So hat er immer die guten Eigenschaften seiner Zucht erhalten und auch mehrere Preise gewonnen. Er hat das Selbe auch mit seiner Rouen-Enten gemacht.
    Also habe ich es auch Probiert. Und es geht ganz gut. Diese Methode hilft direkt Inzucht zu vermeiden, oder besser gesagt zu lindern.
    Kommen wir zur Zucht von Rudi mit den tiliae ssp brunnea. Hatte den selben Fall, im selben Jahr, hatte auch 3 Zucht-Linien, hatte sie separat gepaart, und trotzdem alles verloren. Im Jahr davor hatte ich mindestens 400 Räupchen auf Linden im Freien ausgesetzt. Leider habe ich in dem Gebiet noch keine Nachforschungen machen können, um das Vorkommen und die Präsens im Gebiet zu überprüfen.
    Beispiele :
    Meine Saturnia pyri Zucht läuft schon Zeit Jahren. Hier ist noch etwas bemerkenswertes zu sagen. Da ein Teil der Puppen, manchmal 1 bis 3 Jahre überlegen, hat man noch mehr Chancen um Inzucht zu vermeiden.
    Meine Rothschildia sandimasiana Zucht. Die Schmetterlinge wurden 2013 beschrieben
    2015 habe ich Eiern gekauft. 2 X 20
    2016 habe ich 4 Paarungen gehabt
    2017 habe ich 3 Paarungen gehabt
    2018 habe ich in Zucht Raupen von 7 Paarungen. Dieses Jahr finde ich einige Zuchtstämme sehr vital, und die ersten Kokons viel größer als die letztes Jahr.


    Aber Zucht, als auch Linien-Zucht soll nicht immer heißen guten und ohne Risiko freien Erfolg. Das gelingen einer Zucht hängt eben von verschiedenen Faktoren ab. Und passt man noch so sehr auf gut und sauber züchten, manchmal geht doch alles schief und man hat TOTAL Misserfolg. Eines ist aber klar, Linien-Zucht hilft Inzucht ein bisschen zu vermeiden.


    Ich hoffe einiges beizutragen und ein Bisschen Erfahrungen mit zu teilen. Nächstes Jahr feiert der Henri 50 Jahre Schmetterling-Zucht.


    Viele Grüße an Alle und guten Zucht Erfolg,
    Henri

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