über den Tellerrand schauen

  • Hi Leute!


    Ich habe auch nicht wirklich eine passende Rubrik für das Thema gefunden, also versuche ich
    es mal hier.
    Eigentlich bin ich ein Schmetterlingsmann, daher meine sicher etwas naiven Fragen:
    Neulich bin ich bei einer Exkursion über Käferfallen gestolpert, und da kaum Schmetterlinge flogen
    kamen bei mir einige Fragen auf:
    Im Grunde genommen handelte es sich einfach um bis zum Rand eingegrabene Gläser/Konservendosen.
    Wie gestaltet sich so etwas erfolgreich? Was würde ein Mathematiker sagen wie hoch die Warscheinlichkeit
    ist das ein Käfer auf einer Riesenfläche ausgerechnet über diese ein paar Quadratzentimeter große Fallenöffnung läuft?
    Der würde sicher sagen "nur wenig über Null"! Und trotzdem scheint es ja zu funktionieren, sonst würde man es
    ja nicht praktizieren???
    Oder werden Lockstoffe verwendet? Und wenn ja welche, denn Pheromone würden ja nur auf eine kleine Handvoll
    Arten wirken. Es muss also etwas Anderes sein.
    Klärt mich doch bitte mal auf!

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    • Offizieller Beitrag

    Hallo Andreas,
    ich bin kein Käferexperte, aber da mein Vater zufällig auch mit Ameisen arbeitet und diese Fallen öfters einsetzt hab ich etwas Halbwissen. Diese Fallen werden auch Barber-Fallen genannt und sind in der Auslegung sehr unterschiedlich. Sie werden nicht nur für Käfer, sondern für eine Vielzahl an bodenlebender Arthropoden eingesetzt. Je nachdem was man damit bezweckt können die Fallen nur mit Wasser oder Ethanol gefüllt sein und dann tatsächlich reine "Stolperfallen" sein, aber auch der Einsatz von Pheromonen oder Lockstoffen ist möglich. Natürlich bekommt man dann eher ein kleines bis sehr kleines Spektrum an Arten, aber das will man ja unter Umständen gerade. Für bodenlebende Insekten sind solche Fallen teilweise die einzige verlässliche Nachweismethode. Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit, das ein bestimmtes Insekt in diese Falle fällt sehr gering. Wenn man berücksichtigt, dass Insekten meist in sehr großen Stückzahlen auftreten und die Falle eine Weile dort herum steht, dann ist die Wahrscheinlichkeit allerdings wieder nicht so gering. Natürlich kann man damit Abundanzen nicht bestimmen. Bei Ameisen ist z.B. oft das Problem, dass wenn ein Nest einer Art direkt in der Nähe der Falle ist natürlich Massen dieser einen Art in der Falle sind, während andere Arten mit steigender Entfernung zu deren Nest weniger vorhanden sind. Meist geht es deswegen um den reinen Nachweis von Arten oder eine Näherung der Abundanzverhältnisse (relative Abundanz). Natürlich verwendet man in der Regel auch mehrere Fallen über eine größere Fläche, um das Bild etwas schärfer zu bekommen. Wenn man darüber nachdenkt ist es auch nicht anders als wenn du jeden Stein einzeln umdrehst. Wie wahrscheinlich ist es da, dass du die eine bestimmte Art findest? Im Bezug auf die zeitliche Komponente wohl noch unwahrscheinlicher.


    Grüße Dennis

  • Ich erinnere mich mal vor fast 40 Jahren (!!!) gelesen zu haben das man Laufkäfer z.B. mit (zermatschtem???) Schneckenfleisch in die Fallen ködern kann?
    Natürlich ist die Frage ja auch welche Käfergruppen lassen sich womit anlocken? Irgendwelche Blütenliebhaber
    werden sich darüber hinaus kaum auf dem Boden aufhalten u.s.w.


    Die Schmetterlingsfauna geht hier oben im Nordosten rasant den Bach hinunter.
    Die dadurch resultierende Unterbeschäftigung gibt mir die Muße zu schauen ob dieser rasante Schwund sich auch durch die anderen Insektengruppen zieht.
    Ein kleiner Querschnitt durch die hiesige Käferfauna wäre da nicht ganz unnütz, wie ich finde.
    Daher auch die Frage wie kann man als halber Laie mal einn repräsentativen Schnitt durch die Käfergruppen
    bekommen, wobei ich den Schwerpunkt auf Gruppen mit größeren, auch für den Nichtkäferfachmann (nach Fotos o.ä.) bestimmbaren Arten legen würde...


    Als so langsam arbeitslos werdender Schmetterlingsmann suche ich natürlich nach momentan noch sinnvollen
    "Freiland-Aktivitäten", und auch Käfer hatten für mich immer etwas Faszinierendes, ohne jedoch die Zeit dazu zu haben...


    Also, Kollegen, wie war das jetzt mit dem Schneckenfleisch?

  • Moin,


    als Kind hab ich mit frischem Camenbert in eingegrabenen Halbliter-Gläsern in nem simplen Fichtenwald nach Totengräbern geködert.
    Ich fand den Gedanken ganz aufregend, diese Tiergruppe mal zu sehen. Ich sah mich schon als Totengräber-Spezialist in die Geschichte eingehen :grinning_squinting_face:


    Wie bei Kindern oft üblich...ich vergaß nach einer ersten Kontrolle am drauffolgenden Tag, die nichts brachte, die Gläser weiter zu kontrollieren.
    Der Käse war wohl einfach nicht reif.
    Ne Woche später, als wir Kindertrupp mal wieder im Wald unterwegs und am Spielen waren, fiel dem tollen Totengräber-Spezialisten ein, er könne mal wieder nachsehen.
    Zwischenzeitlich hatte es geregnet und in den Gläsern fand sich eine Megapampe aus vergammeltem Camenbert, zig Totengräbern und anderen Aasliebhabern. Ein Teil davon schon in Zersetzung begriffen in der ganzen Matsche.
    War für uns Kinder ein echter Hinkucker und so rein entomologisch gesehen wohl eher unprofessionel.
    So wurde es auch nix mit dem Berufswunsch "Totengräber-Spezialist". :grinning_squinting_face:

  • Hallo,


    "Barber-Fallen" im Großformat sind auch die Eimer die entlang von Krötenzäunen zum Auffangen von Amphibien eingegraben werden.
    (Vorausgesetzt sie sind gut ebenerdig). Bekam auf diese weise vor einigen Jahren eine größere Anzahl von Großlaufkäfern in 7 Arten, die ich nach dem
    Bestimmen dort wieder freigelassen habe. Soll heißen, dass man mit "Leitsystemen" die Wirkung dieser Fallen erheblich erhöhen kann.


    beste Grüße
    Walter

  • Hallo Andreas,


    diese Barberfallen eigenen sich eigentlich hervorragend für fast alle bodenbewohnende Insekten (sie werden aber fast immer für Laufkäfer eingesetzt). Und es ist immer wieder erstaunlich, wie viele Käfer dort hereinfallen bzw. auch angelockt werden. Man kann damit nicht wirklich Bestandesdichten ermitteln, aber schon Aktivitätsdichten. Und die kann man dann statistisch auch gut auswerten.


    Die Barberfallen kann man aus einfachen Yoghurt-Bechern basteln, besser sind allerdings Honiggläser. Als Außenhülle zum Boden hin kann man sich auch Röhren schneiden aus Fallrohren (bekommt man in jedem Baumarkt). Wichtig ist noch ein Dach drüber, was genug Freiram bieten muss, damit die Käfer noch drunter passen ;o).


    Echte Lockmittel (z.B. Fleisch für Großlaufkäfer) werden nur bei Lebendfallen angewendet. Die muss man allerdings auch täglich zweimal kontrollieren - ansonsten fressen sich die Großlaufkäfer gegenseitig auf. Normalerweise werden die Fallen alle 14 Tage geleert. Da kann man dann auch kein Wasser als Glasinhalt verwenden. Da werden meist verschiedene Alkohole verwendet, teilweise auch verdünntes Formalin (dann werden die Käfer aber sehr hart und lassen sich kaum mehr präparieren).
    Meine beste Mischung war immer Ethanol (70%) in Verbindung mit etwas Speiseessig (Lockwirkung) und 10 % Glycerin (gegen das Austrocknen der Fangflüssigkeit). Diese Fänge kann man dann super präparieren.


    Schöne Grüße
    Thomas K.

  • Hi Thomas!


    Ich sah diese Fallen allerdings ohne Dach, nur mit stoffstreifen an Büschen daneben markiert - bei regenfreiem Wetter ist das sicher o.k. oder hat das Dach noch weitere Funktionen?


    Zweitens- Lebendfallen sind gut,im schlimmsten Fall betäube ich sie kurz für ein Bestimmungs-Foto, mehr nicht.


    Das Gebiet ist ein kleines Feuchtgebiet mit Trockenelementen rund 200m vor der Haustür, 2x täglich kontrollieren
    kein Problem. Köder wären also durchaus interessant!


    Auch Köder die ohne Fallen auskommen wären daher denkbar, also einfache Köderplätze auch an Bäumen etc, Alles was sinnvoll wäre und dann regelmäßig abgesucht wird....


    Fleisch für Laufkäfer haben wir genannt - ich hoffe es geht auch "Schneckenfleisch"????
    Leichenhallengestank bei echtem Fleisch finde ich einfach widerwärtig...


    An klassischem vergorenen Eulenköder habe ich zwar schon diverse Waldmausarten, sogar Wasserratten und einen
    leckenden Fuchs gesehen, aber ich kann mich nicht an nennenswerte Käferfunde dabei erinnern, keine Ahnung warum...


    Also worauf stehen die sechsbeinigen Kumpels denn noch?

  • Hallo Andreas,


    also für Equipment und Fragen zu Fangmöglichkeiten empfehle ich dir den Band 1 von Freude/Harde/Lohse (Die Käfer Mitteleuropas). Da gibts im vorderen Teil gute Infos...


    Gute Internetseiten für die Käferbestimmung:
    http://www.kerbtier.de
    http://www.koleopterologie.de
    http://www.coleonet.de


    Gute Literatur gibt es zu Hauf - die will ich hier nicht alle aufzählen ;o)


    Schöne Grüße
    Thomas K.

  • Hallo Andreas,
    du solltest dir erst mal überlegen, in welche Käferfamilien du dich einarbeiten willst. Denn derer sind es viele. Da es hier ja in erster Linie um Barberfallen ging, empfehlen sich für den Anfang die Laufkäfer, wie oben auch schon erwähnt wurde. Du wirst sehen, dass das erst mal völlig ausreicht, besonders wenn es um die kleinen Arten geht (z.B. Dyschirius, Bembidion). Und du wirst mit der entsprechenden Terminologie vertraut, die du dann bei Bedarf auch auf andere Familien anwenden kannst. Dass du alle Arten anhand eines Fotos korrekt zur Art bestimmen kannst, wage ich zu bezweifeln.
    Wo du Bestimmungshilfen im Netz findest, kann ich dir nicht sagen, ich arbeite mit Büchern, z.B. Freude, Harde, Lohse oder Lindroth. Die sind alledings nicht ganz billig.
    Puncto Barberfallen habe ich auch schon konzentrierte Salzlösung als Fang-/Konservierungsflüssigkeit gesehen, aber da waren immer sehr wenige Tiere drin. Ausserdem quellen während der Bestimmung ständig Salzkristalle hervor. Diese Methode taugt also nichts.
    Ich würde die oben beschriebene Renner-Lösung (Alc., Wasser, Glycerin, Essigsäure + ein Spritzer Spüli gegen Oberflächenspannung) auch immer dem Formol vorziehen. Das ist ein wirklich ekliges Zeug.
    Ein Dach dient auch dem Schutz vor Eintrag von Fremdmaterial (Laub, Blüten, Früchte), denn je mehr davon in der Falle ist, um so schwieriger das Auffinden kleiner Tiere.
    Vielleicht konnte ich dir ein wenig weiterhelfen.
    Thomas

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  • Hallo Andreas,


    kann wie meine Vorredner auch nur bestätigen, dass die Bände von Freude, Harde, Lohse definitiv die besten zur Bestimmung sind. Ich habe alle Bände und man muss sich wirklich erstmal etwas durcharbeiten - ist eher trocken im Stoff - aber wenn man mal geschnallt hat, wie man die Bücher bedient, einfach top.


    Was das Schneckenfleisch betrifft - da fehlt mir das Wissen, aber 2-3 Brocken eines im Discounter gekauften Schweine- oder Rindfleischgulasch wirkt hervorragend. Hauptsache ist, dass es möglichst stinkt. Du wirst viele Laufkäfer und Totengräber (hier ein Gruß an Rudi :-)) im Fangglas haben. Sinnvoll ist entweder eine 0,5 - 0,75 Liter Blechdose oder ein Glas, ebenerdig eingegraben und DRINGEND ! ein Dach drüber. Am besten das ganze im Wald, dort hatte ich immer die besten Fangquoten.
    Vor allem die großen Lederlaufkäfer lieben das Angebot :winking_face:


    Es gibt aber auch andere Methoden um Käfer zu ködern. Z.B. der Hirschkäfer ist sehr leicht mit Marmeladen aus Erdbeeren, Kirsche, etc. zu ködern. Du brauchst dafür allerdings schon große Eichenvorkommen, bei denen die morschen Bäume stehen gelassen werden. Seit jüngster Zeit ködert man auch sehr erfolgreich mit Ingwerwurzel.


    https://www.wissenschaft-aktue…_zaehlt1771015587322.html


    Nun gut, hoffe Dir etwas weitergeholfen zu haben und wünsche Dir gute Fang- und Fotoergebnisse.


    LG aus Wien


    Rainer

  • Danke, Jungs, damit kann ich etwas anfangen. Nur noch was zu dem Ingwer: Ich habe keine Ahnung ob der Hirschkäfer
    hier in Nordostdeutschland überhaupt (noch) vorkommt, wäre aber definitiv eine Begegnung die ich mir sehr wünschen würde -life habe ich die Art noch nie gesehen.
    Da die Technik aber sehr neu zu sein scheint findet sich dazu nur wenig:
    Wie könnte so eine "Ingwer-Falle" eigentlich aussehen? Ich vermute mal das es sich dabei eher NICHT um eine eingegrabene Bodenfalle handelt??? Und da es sich um eine streng geschützte Art handelt muß es sich dabei in jedem Fall um Lebendfallen handeln, aus denen das flugkräftige Tier nicht so einfach entwischen kann. Darüber hinaus muß die Größe sicherlich auch diesem Riesenkäfer angepasst sein. Vielleicht habt ihr Vorstellungen oder wenigstens ein paar fundierte Spekulationen dazu? Wie gesagt scheint die Technik so neu zu sein das Bücher da nicht weiterhelfen...



    Es gibt ein weiteres Tier welchem ich in meinem Leben gerne noch einmal begegnen würde, und das ist die Mauwurfsgrille.
    Dafür müssen wir allerdings zu einer anderen Rubrik wechseln:


    Maulwurfsgrille

  • Also die Bestimmungsseiten sind schon mal super.


    Gibt es vielleicht auch eine Seite die Ähnlichkeit mit dem Lepiforum, nur für Käfer hat? Wo man eben
    auch weiterführende fragen stellen kann??? Google ist nicht sehr hilfreich, 98% der Antworten beziehen sich
    dusseligerweise auf den VW Käfer...und an dem habe ich so gar kein Interesse!


    Und wie oben gesagt, falls Ihr noch Hilfreiches zu den Ingwerfallen wißt (s.oben) - der Hirschkäfer kommt laut Verbreitungskarte bei mir vor, daneben sollten ja sicher auch verwandte Arten davon angelockt werden....

  • Danke, Rainer!


    Allerdings vermisse ich auch da einen Diskussions- und Anfragenteil (analog zum Lepiforum);
    Ich möchte ja gerade auch Fragen zu neuen Entwicklungen, die i.d.R. noch keinen allgemeinen Eingang in dieLiteratur gefunden haben, stellen können.


    Wen kann ich den sonst noch fragen wie eine "Ingwerfalle" auszusehen hat - oder sollten Schröter auch in
    eine simple Bodenfalle gehen?
    Keine Ahnung, aber das werden sicherlich einige Leute wissen; nur wie diese finden???


    Du hast geschrieben das sich Hirschkäfer mit Marmelade und co. ködern lassen. Aber irgendwie musst Du die Tiere ja auch lebend "festhalten" können - Du sitzt doch nicht jede Nacht neben dem Marmeladenklecks, oder?
    Und diese Falle - nur mit Ingwer bestückt- wäre es dann. Also wie machst Du das?

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