Ich bin einer der Uneinsichtigen, die eigenen Beobachtungen mehr trauen als Medien, Veröffentlichungen und Untersuchungen.
Früher gab es auf meinen Innenstadtterrassen nahe am Bahndamm Bläulinge, die üblichen Eckfalter, mindestens drei Arten Kohlweißlinge, Zitronenfalter und einmal einen Würfeldickkopf.
Dieses Jahr gab es ein vorbeifliegendes Zitronenfaltermännchen und einen kleinen Weißling.
Jährlich wurde mein Waldgeißblatt von Taubenschwänzchen besucht. Nun ist die Hauptblüte vorbei. Es war keins da. Mit Eulen sieht es noch etwas besser aus; die Erdraupen nehmen im Frühling mein Fraßpflanzenangebot an.
Bei mir erfolgte der Einbruch der Arten- und Individuenzahlen, als vor zwei, drei Jahren die nahe gelegenen Industriebrachen zwecks Autobahnbau abgerissen wurden.
Mich verwundert der Rückgang an Schmetterlingen überhaupt nicht.
Ich muss mir doch nur die Landschaft ansehen: Zumindest im Flachland grenzen Feld an Feld an Acker, Grünland trägt keine Blüte, sondern besteht nur aus Hochleistungsgrassorten und - die vorhandenen Ränder werden gemäht, weil irgendjemand mit Geschmacksverirrung das "schön" findet. Die Waldränder liegen scharfrandig am Feld; wo es noch Ökotone, Übergangsbereiche, gibt, ersetzen Robinien und Götterbaum Birken, Espen und Weiden; in Berlin pflanzte man an Waldrändern Amerikanische Schneebeere.
Wir hatten hier das Beispiel des den Seitenstreifen mähenden Bauern, der Brennnessel- und Tagpfauenaugenbestände vernichtete. Ich möchte den Berufsstand gewiss nicht verächtlich machen. Ein Bauer kann alles - in Haus, Garten, Hof und Maschinen. Aber das gerügte Verhalten ist symptomatisch für den durchaus nicht typisch deutschen Irrsinn des Geometrismus in der Landschaftshygiene. Der wurde irgendwann in den 60-ern mit der Flurbereinigung modern. Wer sich alte Landschaftsbilder ansieht, erkennt, dass dergleichen durchaus nicht unserer Veranlagung entspricht. Es ist mit Moden zwecks Konsum von Maschinen oktroyiert.
Wo sollen denn Schmetterlingsarten leben können, wenn es ihre Futter- und Nektarpflanzen einfach nicht mehr gibt?
Richtig, in der Stadt - darüber gibt es Untersuchungen. Leider ist dort die Naturgartenmode der 80-er der Geometrie- oder gar Kieselsteingartenmode gewichen.
Ein Blick in die Landschaft genügt doch, um den Rückgang an Lebensvielfalt zu erkennen. Daran ändert man nichts oder nur wenig. Autobahnränder und -parkplätze z.B. werden nach wie vor als Flächen für Englischen Rasen betrachtet, obwohl niemand etwas davon hat oder ihn nutzen könnte und ein einfaches Dekret des Verkehrsministeriums, höchstens noch zweischürig zu mähen, genügen würde, um das zu ändern.
Wir brauchen keine teuren, wissenschaftlichen Untersuchungen und brauchen auch nicht alles einfach auf den "Klimawandel" zu schieben, um uns Naturschutz zu ersparen.
Der Irrsinn der Kratzerei, Beschneiderei und Mäherei überall, ob am Straßenrand, im Park, im Garten, am Wald- oder Feldrand oder -weg muss aufhören, dann kann man sich mal Gedanken um 5G, Klima, Neonikotinoide und andere Pestizide sowie Überdüngung und deren Wirkungen auf die Restnatur machen.