Starker Parasitenbefall an Brennnesselraupen

  • Hallo,


    ich habe festgestellt, dass die in den Brennnesseln lebenden Raupen, vermutlich vom Admiral (Vanessa atalanta), fast alle verendet sind. Die vorsichtig geöffneten „Brennnesseltüten“ zeigen immer das selbe Bild. Die tote Raupe ist von watteartigen Tönnchen umgeben.. Es sieht aus, als ob die Raupen regelrecht von diesen Gebilden eingesponnen wurden und sich nicht mehr befreien konnten. In den Tönnchen selber befindet sich nur eine gelbliche Flüssigkeit. Diese Feststellung habe ich nicht nur in meinem Garten, sondern auch in den umliegenden Brennnesselbeständen gemacht, es ist also kein eng begrenztes Auftreten.


    Zu diesem Phänomen habe ich natürlich viele Fragen! Um welchen Parasiten handelt es sich? Wer hat diese Beobachtungen noch gemacht? Gibt es im Internet irgendwelche Informationen darüber? Für Antworten wäre ich sehr dankbar!


    Viele Grüße
    Hans-Peter


    Anbei einige Aufnahmen!

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  • Hallo Hans-Peter,


    parasitierte Raupen findet man in der Natur häufig.
    Beispielsweise findet man unter Freilandraupen des Braunen Bären (Arctia caja) nur selten gesunde Exemplare - um nur eine Art beim Namen zu nennen.


    Bei dem von Dir geschilderten Szenario dürfte es sich um die Kokons von Brack-/Schlupfwespen aus der Familie BRACONIDAE handeln (evtl. Apanteles/Cotesia/Microgaster).


    Es ist nicht so, dass sich die Raupen nicht mehr aus dem Gespinst befreien konnten.
    Das ganze Drama läuft folgendermassen ab:
    Die Raupe wird zunächst von der Wespe gestochen und damit werden die Eier injiziert. Nach kurzer Zeit schlüpfen die Wespenlarven, welche sich fortan von Blut, Fett etc. im Inneren der Raupe ernähren. Die Raupe frisst und lebt noch eine ganze Weile lang weiter. Ab einem bestimmten Zeitpunkt wird die Raupe bewegungsunfähig und verharrt, bis die Wespenlarven den Larvenkörper verlassen und sich an/um ihn herum verpuppen.
    Schluss, Ende des Raupendaseins... :frowning_face:



    Grüße
    Jörg

  • Hallo Hans-Peter, ich kann dem Beitrag von Jörg nur zustimmen. Er hat die richtige Erklärung getroffen. Ich habe heuer ca. 20 Raupen vom großem Kohlweißling gesammelt um die Parasitierung zu beobachten. 8 von 10 Raupen waren angestochen und konnten sich nicht mehr verpuppen. Die statt Schmetterling geschlüpften Tiere waren kleine Schlupfwespen ca. 4 mm klein. Sehen wir es einmal so. Noch hilft sich die Natur selbst, indem durch solche Vorgänge eine "Überbevölkerung" vermieden wird und das soll wohl auch so sein.Traurig aber wahr. Gruß: Fritz

  • Hallo Hans-Peter,


    Das kann ich bestätigen. Ich hatte etwa 15 Admiralsraupen gesammelt - allesamt waren sie parasitiert. Der größte Teil starb im 3.Larvenstadium durch die Schlupfwespen, die Du auch gesehen hast, einige kurz vor oder nach der Verpuppung durch Raupenfliegen.
    Bei den Tagpfauenaugen und den Kleinen Füchsen war es jetzt im Sommer unterschiedlich. Einige Gelege hatten einen recht hohen Parasitierungsgrad (50-70%, vermutlich dieselben Arten wie bei den Admiralsraupen), andere kamen gut durch.


    Grüße
    Uwe

  • Hallo zusammen,


    vielen Dank für die interessanten und lehrreichen Antworten.


    Der Grund des Themas war auch, dass ich dieses Jahr weniger Schmetterlinge zu Gesicht bekam als in den Vorjahren. So sah ich bei uns (Landkreis Lörrach) keinen einzigen Schwalbenschwanz oder Trauermantel. Sogar der sonst häufig anzutreffende Kleine Fuchs war seltener zu sehen. Dagegen gab es um den 16/17. Juli 2006 eine wahre Invasion von Distelfaltern vor allem am Sommerflieder. Dieser Spuk dauerte jedoch nur 2 Tage.


    Möglicherweise haben sich die Schmetterlings-Parasiten dieses Jahr durch diverse Witterungseinflüsse besonders stark vermehrt!


    Viele Grüße
    Hans-Peter

  • Hallo Hans-Peter,


    Zitat

    Der Grund des Themas war auch, dass ich dieses Jahr weniger Schmetterlinge zu Gesicht bekam als in den Vorjahren. ...............
    Möglicherweise haben sich die Schmetterlings-Parasiten dieses Jahr durch diverse Witterungseinflüsse besonders stark vermehrt!


    Dies dürfte aber wohl kaum auf Parasiten zurückzuführen sein; exzessive Landwirtschaft, Wein- und Forstbau bringen viel grössere Schäden mit sich!


    Zum Beispiel:
    1. Wurden hier von den Koryphäen des Forstamtes sämtliche Krüppel-Salweiden, -Zitterpappeln sowie weitere für die Falter wichtige Sträucher an Wegesrändern im/am Wald einfach herausgeschnitten.
    Die kleinen Salweiden dienen Apatura iris zur Eiablage, und nicht etwa die grossen Bäume. Ich habe dort bisher in jedem Jahr Raupen oder Puppen von Iris beobachten können.
    Auf den im Auge des Försters wohl zu mickrigen Pappeln waren immer Gabelschwänze und Schwärmerraupen zu finden.
    2. Wurde von oben genannten Spezialisten eine wirklich grosse Fläche an Heckenkirsche (Lonicera xylosteum) einfach so entfernt; die Pflanzen wuchsen seit Jahrzehnten unbehelligt und boten dem Hummelschwärmer ideale Bedingungen. In diesem Jahr konnte ich zu keiner Zeit eine einzige Raupe in dem Gebiet entdecken, in den Jahren zuvor hingegen zum Teil in Massen! Scheinbar hatten sich die Schwärmer auf das Gebiet spezialisiert.


    Vielleicht waren die Falter in diesem Jahr auch allgemein etwas "durcheinander", bedingt durch die zu kalten Monate Mai und August. Vor ca. zweieinhalb Wochen konnte ich ein Männchen von Apatura ilia beobachten - eine zweite Generation gab es hier noch nie! Im Juli hingegen habe ich keinen einzigen der Art gesehen, obwohl sie zu ihrer "normalen" Flugzeit hier nicht allzu selten anzutreffen ist.
    Auch bei Abendpfauenauge, Pappelschwärmer sowie Lindenschwärmer konnte ich Abweichungen in der Flugzeit feststellen.


    Grüße
    Jörg

  • Hallo Joerg,


    leider kann ich Deine Erfahrungen bezüglich der zum Teil schrecklichen Asuwrikungen von Forst- oder Landwirtschaft nur zu gut verstehen. Es besteht hier im ländlichen Niedersachen die Tendenz, sogenanntes "Bio"-Gas zu produzieren. Das heißt, es wird auf ehemaligen Wiesen Mais angebaut, der dann in "Reaktoren" vergärt und das Gas wird das verbrannt zur Stromherstellung. Dadurch werden große Flächen mit ökologisch sinnlosem Mais zugepflanzt. Kein einheimisches Tier, außer vielleicht Wildschweinen, kann etwas mit dem Mais anfangen, sozusagen grüne Wüste.
    Auf einem ca. 5 Hektar großen Areal war in meiner Nachbarschaft langjährig eine saure, leicht feuchte gemischte Kleewiese mit einer großen Schmetterlingspopulation. Mehr als 30 verschiedene Arten konnte ich dort nachweisen. Seit dem Frühjahr ist dort ein Maisfeld. Das heißt, alles ist weg. Ich habe in diesem Sommer auch von vielen Arten keine Rest-Populationen in der weiteren Nachbarschaft gefunden.
    Das ist wirklich traurig. Ein paar Parasiten machen demgegenüber kaum einen Schaden.


    Gruß, Holger

  • Hallo Holger,


    ich habe da einen Einwand - grundsätzlich finde ich das mit dem Biogas sehr sinnvoll. Es dient ja normalerweise dazu, die Gülle aus Rinder- und Schweineställen zu nutzen. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass sie Mais nur anbauen, um das Grünzeug in den Reaktor zu werfen. Bist Du sicher, dass das nicht Futtermais für die Tiere ist? Dass sie etwas mehr anbauen wäre angesichts der Möglichkeit, auch das Grünzeug zu verwerten verständlich.
    Deinen Ärger über die Zerstörung der Wiese verstehe ich trotzdem sehr gut. In meiner Nachbarschaft war in den 80ern eine große blühende Wiese, auf der sich an sonnigen Sommertagen hunderte Schmetterlinge tummelten. Jetzt stehen dort Häuser. In der Umgebung gibt es seitdem kaum noch Schmetterlinge und auch die sonstige Fauna in den Gärten drumherum ist ärmer geworden.



    Grüße
    Uwe

  • Hallo Uwe,


    (eigentlich schweifen wir hier vom Eingangsthema ziemlich ab)


    sicherlich wird zu einem Teil Mais auch zu Futterzwecken angebaut und nach der Ernte zu Silage verarbeitet. Prinzipiell ist dagegen ja auch gar nicht zu sagen. Auch nichts dagegen, dass prinzipiell versucht wird, alternative Energiequellen zu erschließen. Das Problem ist jedoch, dass sich hier in den letzten ein, zwei Jahren die Anbaufläche für Mais sprunghaft vergrößert hat. Dafür werden fast ausschließlich Wiesen oder Brachflächen verwendet. Das ist natürlich nicht gut für die Artenvielfalt.


    (Soweit ich weiß, wird der Mais übrigens beim Ernten gehäckselt und alles zusammen in den Biogasreaktor gegeben, nicht nur die Mais-Körner. Man verwendet für die Silageherstellung auch andere Sorten als für den Biogasreaktor.)


    Schönen Gruß, Holger

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  • Hallo Holger,


    abschweifen ist doch erlaubt, oder?
    Aber ich will es auch nicht weiter ausdehnen. Ich dachte eigentlich, dass die Tiere die Maiskolben bekommen und der Rest der Pflanze übrigbleibt, aber anscheinend stimmt das nicht.
    Wenn die Anbauflächen ausgeweitet werden, ist das Ergebnis leider klar.
    Grüne Wüste sind ja Monokulturen immer, nicht nur der Mais. Wird Zeit, daß die Landwirtschaft mal neue Anbaumethoden entdeckt...


    Grüße
    Uwe

  • Hallo Uwe,


    es wird vor allem Zeit, dass derartige Aktionen der Forst- und Landwirtschaft verboten werden!


    Einerseits werden Entomologen kriminalisiert, wenn sie zur Zucht ein paar Individuen aus einem wie in den Artikeln angesprochenen Refugium entnehmen, andererseits wird kurze Zeit später genau dieses Refugium wirklich komplett plattgemacht, und das von ganz offizieller, staatlicher Seite! Unglaublich, man könnte......man sollte wirklich.......!!!!


    Desweiteren halte man sich die Folgen der EU-Subventionen etc. vor Augen, wenn Obst und Feldfrüchte in unglaublichen Mengen einfach so vernichtet werden, nur weil sie den EU-Normen nicht enstprechen. Massenanbau + Raubbau par excellence, und dann auch noch "für die Katz".


    Grüße
    Jörg

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