Hallo Dennis, vielen Dank.
Mal abgesehen von den vielen kleinen Themen, die du angesprochen hast, treffen wir uns am Ende an der interessanten Frage - Gibt es überhaupt unselektionierte Merkmale, die einen genetischen Drift in einer Population bewirken können?
Die logische Antwort ist Nein. Erstaunlich nicht? Trotz der schönen Theorien dazu. Auch ein ungerichteter genetischer Drift ist ein Drift. Was solls?
Stell dir 10 Populationen mit genetischem Drift eines "unselektionierten" Merkmals vor und 10 Populationen ohne dieses Merkmal. Welche der beiden Gruppen sind nach 100 Generationen noch da? Nach 1000, 10.000? Die Welt ändert sich, Evolution heißt Veränderung. Auch "unselektionierte" Merkmale sind eine Chance und ein Risiko. Man muss nur den Beobachtungszeitraum angemessen ansetzen. Ich weiß nicht, welche Merkmale in 1000 Generationen wichtig sind, oder gar welche Merkmalsausprägung.
Das Merkmal ist scheinbar "unselektioniert". Die Veränderlichkeit (Variabilität) ist aber (auf lange Sicht) nicht unselektioniert. Variabilität ist wahrscheinlich ein kaum schlagbarer Vorteil. Sexuelle Reproduktion hat einen erheblichen evolutionären Schub gebracht wegen der schnellen Veränderung.
Wir wissen einfach noch nicht alles. Short tandem repeats sind wahrscheinlich essentiell in der Transkriptionsregulation. Wir suchen z.B. jetzt schon in der Routine nach Mikrosatelliteninstabiliäten bei Krebserkrankungen. Die scheinbar unsinnigen Wiederholungen entscheiden manchmal über Leben und Tod. Repetitive Telomere steuern Alterung und Zelltod. Spannend für die Alterungsforschung. Vor 10 Jahren Unsinns-DNA, heute Top-Forschung.
Ich glaube weiterhin, dass es in der Evolution wenig Platz für Sinnloses gibt. Es lohnt sich jedenfalls immer, Fragen nach dem Wie (Mechanismus: Wieso leuchten Raupen im UV? ) und dem Wozu (biologischen oder evolutionären Effekt: Hat das irgendeine Auswirkung?) zu stellen.
Schöne Grüße