Schwarmintelligenz gefragt: Habitatbindung Tagfalter

    • Offizieller Beitrag

    N'Abend zusammen,


    wenn wir hier schon einen Haufen erfahrener Lepidopterologen haben...wieso sollte man ihn dann nicht nutzen... :winking_face:

    Im Rahmen einer Fragestellung meiner Diss versuche ich gerade die Spezialisierung heimischer Tagfalter hinsichtlich ihrer Habitatbindung etwas auseinanderzudröseln. Für einige Arten liegen mir jedoch Literaturangaben vor, die ich so nicht zwingend nachvollziehen bzw. aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Ich werde im folgenden die Arten auflisten und dazu das jeweilige Habitat schreiben, zu dem es zwar rudimentäre Hinweise gibt, ich aber nicht sicher bestätigen kann. Wenn bei dem ein oder anderen zufällig eine der Arten in dem zugeordneten Habitat fliegt, würde ich mich über ein kurzes Handzeichen freuen :grinsen:

    • Argynnis aglaja - (Laubmisch-)Wald
    • Boloria dia - Ruderalflur / junge Kahlschläge
    • Hesperia comma - (Laubmisch-)Wald / junge Kahlschläge
    • Issoria lathonia - Siedlungsbereich / (Laubmisch-)Wald
    • Melitaea cinxia - Wälder / Kahlschläge
    • Polyommatus amandus - unmittelbare Ackernähe
    • Polyommatus bellargus - Steinbrüche & Kiesgruben


    Interessanterweise werden bei Reinhardt & Thust 1988 u.a. P. argus, P. amandus und P. icarus als Generalisten genannt, die in allen möglichen blütenreichen Habitaten vorkommen. Dem würde ich persönlich so nicht zustimmen (über die Jahre wird sich sicherlich auch einiges verändert haben). Icarus wäre von den Tagfaltern wohl noch mit am weitesten verbreitet und würde tendenziell evtl. noch in Richtung eines Generalisten gehen. Bei argus würde ich eigentlich schon stärker widersprechen. Bei amandus bin ich nach den Literaturangaben etwas unsicher...tatsächlich wird er teils sogar mit Ackerrandstreifen in Verbindung gebracht. Habt ihr hier Erfahrungen?


    Beste Grüße,

    Toni

  • ANZEIGE
    • Offizieller Beitrag

    Also ich gehe mal davon aus, dass das betrachtete Gebiet Deutschland ist, ansonsten währen so komische Abweichungen eher logisch.

    • Argynnis aglaja - (Laubmisch-)Wald -> Von Wald und Hecken durchsetzte Wiesen ja, aber im Wald? Nie gesehen, scheint mir unrealistisch, jedenfalls in geschlossenem Wald.
    • Boloria dia - Ruderalflur / junge Kahlschläge -> dia besiedelt auch deutlich feuchtere Biotope als die üblichen Magerrasen. Es gibt in meiner Umgebung einige Vorkommen auf trockeneren Abschnitten von sonst sehr feuchten "Waldwiesen" (Anführungszeichen, weil die zwar von geschlossenem Wald umgeben sind, aber jetzt nicht so eine Waldwiese mit 10 m2 wo der Wald das Mikroklima stark prägt). Die verirren sich da schon sehr, sehr selten mal an Waldinnensäumen. Halte ich also durchaus für plausibel, wenn die Biotope entsprechend sind.
    • Hesperia comma - (Laubmisch-)Wald / junge Kahlschläge -> Hab ich schon auf sehr mit Wald durchsetzten mageren Waldwiesen gesehen, aber nicht im Wald. Junge Kahlschläge wenn entsprechend mit Gras bestanden und eher trocken halte ich für möglich.
    • Issoria lathonia - Siedlungsbereich / (Laubmisch-)Wald -> definiere Siedlungsbereich, fliegt hier auf jeden Fall auf Äckern, sehr nahe am Stadtrand und Ruderalflächen im Stadtgebiet. Sicher nicht in der dicht bebauten Innenstadt. Würde es aber z.B. nicht für unmöglich halten, dass die mal in einem naturnahen Garten Eier legen. Ein Kollege hatte selbst eine Eiablage von Argynnis paphia mal im Garten, der jetzt nicht gerade waldrandnah liegt. Also dringt gelegentlich in den Siedlungsbereich vor würde ich sagen.
    • Melitaea cinxia - Wälder / Kahlschläge -> nicht beobachtet und wär mir neu
    • Polyommatus amandus - unmittelbare Ackernähe -> Das ist schwierig. Tatsächlich sind die im Tauberland gelegentlich an Vicia die Schlehenhecken hochwächst welche eine Ackerrandbegrenzung darstellen. Die Frage stellt sich hier aber wer zuerst da war. Ich würde davon ausgehen, dass der Acker eher ins Habitat vorgedrungen ist und nicht dass die Art die Ackernähe aktiv sucht. Eigentlich scheint mir die Art auch eher kühles Mikroklima für die Raupen zu brauchen, was sich eher an den geschützteren Schlehenhecken findet und nicht in unmittelbarer Ackernähe. Hab aber nur sehr geografisch begrenzte Erfahrung mit denen, die sind ja in den Alpen teils in völlig anderen Biotopen.
    • Polyommatus bellargus - Steinbrüche & Kiesgruben -> Ich bin mir irgendwie eigentlich sicher, das ich mal in einem Steinbruch war wo auch bellargus flog, aber ich hab ehrlich gesagt nicht mehr alles wo ich je war im Kopf und kann mich nicht exakt erinnern. Wenn du das zwingend brauchst kann ich das rausfinden. In Kalksteinbrüchen wo Hippocrepis wächst sollte das denke ich der Fall sein.

    Grüße Dennis

    • Offizieller Beitrag

    Bei argus würde ich eigentlich schon stärker widersprechen. Bei amandus bin ich nach den Literaturangaben etwas unsicher

    Achso dazu, also ich würde argus schon wegen der starken Bindung an Ameisen nicht als Generalist bezeichnen, vielleicht eher was das Habitat und die Futterpflanze angeht, aber eigentlich nicht, nein. Amandus würde ich ebensowenig als Generalist einordnen. Die scheinen sehr spezifische klimatische Ansprüche an ihre Habitate zu haben und sind außerdem fast monophag. Über icarus könnte man streiten, ist aber denke ich am ehesten gerechtfertigt.

  • Hallo Toni,

    nur ganz kurz, ich würde die Angaben von Dennis für „mein“ Gebiet bestätigen. Hierbei handelt es sich um das östliche Brandenburg, zwischen Berlin und Frankfurt/Oder.

    Cinxia hat im letzten und auch in diesem Jahr stark zugenommen. Die Raupennester konnten nahezu überall angetroffen werden. Eine gewisse Vorliebe schien aber für trocken,warmes Offenland bestanden zu haben.

    H. comma fliegt nur ganz vereinzelt (vgl. Verbreitungskarte im Portal Schmetterlinge Berlin Brandenburg).

    Hier in Fürstenwalde konnte ich die Art an drei Stellen finden: 1. extrem trocken und heiß auf einer ehemaligen Bahnanlage

    2. südexponierte Hängen am Übergang zwischen Grundmoräne und Spreetal

    3. vollsonnige Ackerbrache


    Viele Grüße

    Christian

    • Offizieller Beitrag

    Moin Toni,


    • Hesperia comma - (Laubmisch-)Wald / junge Kahlschläge kann ich in zweifacher Beobachtung aus Wuppertal bestätigen. Die Kahlschläge befinden sich dabei allerdings nicht tiefer im Wald sondern recht nah am Rand.
    • Polyommatus bellargus - Steinbrüche & Kiesgruben ist mir noch aus Jena bestens bekannt. In einem alten Steinbruch (Mönchsberg) teilweise ein Massentier. Auch ein ähnlich strukturierter Truppenübungsplatz ist eines der besten Bellargus Habitate der Stadt.

    Dir viel Erfolg für eine Diss!


    Liebe Grüße,

    Julia

    • Offizieller Beitrag

    Herzlichen Dank euch! Auf eure Kompetenz kann man eben zählen :emojiSmiley-04:


    Und ja, einige Kategorien sind grundsätzlich etwas knifflig...zählt Waldrand / kleines Offenland im Wald jetzt schon als Wald? Der schöne Ackerrandstreifen wirklich zum Acker? etc. Schwierig.

    Erst Recht, da man immer wieder feststellen muss, wie wenig z.B. über Larvalhabitate bekannt ist bzw. zu Text kam. Selbst im Paradebeispiel Ebert & Rennwald werden gefühlt 80% der Arten ohne bekanntes Larvalhabitat geführt. Ich denke, das Wissen existiert schon irgendwo in den Köpfen der vielen Lepidopterologen...es muss nur mal gesammelt und zu Papier gebracht werden...


    Wie dem auch sei, danke euch nochmal - das hilft mir schonmal weiter :smiling_face:


    LG,

    Toni

  • Hallo Toni,


    deine Arten habe ich schon in den verschiedensten Biotopen gesehen,

    ...

    Argynnis aglaja: mein bester Platz für diesen Faltern ist eine Hochmoorwiese umgrenzt von einem großen Teich und Fichtenwäldern die mit einzelnen Laubbäumen durchsetzt sind. auf dieser Wiese fliegen teilweise (je nach Nahrungsangebot) bis zu 15 Falter. Im Wald oder auf Waldwegen sehe ich ihn eher selten. Das müsste dann schon ein offener Bereich sein.


    Polommatus amandus: Dieser Bläuling kommt im gleichen Biotop wie aglaja vor und fliegt dort auch regelmäßig in größerer Stückzahl. Ihn kann man aber auch auf den Forststraßen, die die Wälder durchziehen vereinzelt sehen. Wenn ich über die Grenze nach Tschechien gehe, gibt es dort auch große Moorwiesen wo ich ihn auch schon in großer Stückzahl sah - zumindest auf den Wegen dazwischen.


    Die anderen von dir erwähnten Arten kann ich jetzt nicht unbedingt auf einen bestimmten Raum festlegen, aber da bekommst du ja genügend andere Infos.

    Hoffe ich konnte dir zumindest ein bisschen helfen ...


    Lg Leo

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!