Seide gewinnen ohne zu töten

Hallo Kilian!
Nachdem, was ich diesbezüglich hier so sehe und höre, ist das nicht möglich. Der Seidenfaden ist ja mit "Klebstoff" überzogen, der erst durch Kochen des Kokons gelöst bzw. abgewaschen wird. Außerdem wäre es wohl sehr mühsam oder vielleicht sogar unmöglich, am festen Kokon den richtigen Fadenanfang zu finden.

Gruß, Rudi

Hallo Kilian

Schau mal hier bei Minute 57:40
wissen aktuell: Rettet die Insekten! - 3sat-Mediathek

Es ist also schon möglich, Seide aus einem einzigen Faden herzustellen, ohne die Puppen dabei zu töten.

LG Gabriel

Es mag vielleicht möglich sein, die Seide in einem Faden herzustellen ohne die Puppen dabei zu töten, jedoch ist dieses Verfahren gegenüber dem Standardverfahren, bei dem die Puppen getötet werden, mit großer Sicherheit mit deutlich höherem Aufwand und Kosten verbunden. Da lebende Puppen für die Seidenindustrie jedoch kaum einen Mehrwert bringen, wird sich das wohl nie durchsetzen, zumindest nicht in der Breite. Denn aufgrund der sehr hohen Reproduktionsrate wird nur ein sehr kleiner Anteil der Puppen für die Nachzucht benötigt. Die restlichen Milliarden an Puppen würden anschließend sowieso getötet werden. Schließlich wird der Nährwert mit fortschreitender Metamorphose stetig niedriger. Da die Verwendung der übrigen Puppen jedoch gerade in der als Futtermittel und teils, aber wahrscheinlich in deutlich geringerem Maße, auch als Lebensmittel liegt, wäre das gerade kontraproduktiv. Lediglich bei den Puppen, die für die Nachzucht auserkoren sind, wäre das noch interessant, da man so als Nebenprodukt noch bisschen Seide rausholen kann, bin da aber auch skeptisch, ob sich das lohnen würde und nicht die zusätzlichen Kosten über den Marktpreisen für Rohseide liegen.

Hallo Kilian,
wir beschäftigen uns seit einiger Zeit mit der Seidenproduktion und Verarbeitung von Attacus (Fagara), Cricula und Samia ricini (Eri) Seiden. Schau mal auf unsere Website http://www.wildsilkmoth-indonesia.com wo du zahlreiche Seidenstoffe und Rohseiden abgebildet finden wirst (ganz unten links).
Grundsätzlich sind die Kokons von Attacus, Cricula und Samia ricini sehr geeignet, müssen aber verarbeitet werden. Du kannst bei wilden Seiden, dazu gehören Attacus, Cricula, Samia und Antheraea in der Regel keinen Faden abwickeln wie bei dem domestizierten Maulbeerspinner Bombyx mori. Du musst die Kokons der wilden Seidenspinner in Seifenwasser kochen, damit sich der Klebstoff auflöst und kannst dann die "Masse" abraspeln (rotierender Besenstiel mit Nägel ist zwar primitiv aber funktioniert). Die kurzen Fäden müssen dann versponnen werden. Kann man alles ohne Maschinen machen. Anleitungen gibt es zahlreich im Internet!
Attacus-, Cricula- und Samia-Kokons werden in der Seidenzucht immer aufgeschnitten und die Puppen für die Weiterzucht entnommen; Bombyx-Kokons aber nicht, weil man dadurch den Faden zerstört und nicht abwickeln kann.
Samia (Eri) Seiden sind meist dick-flauschig nach der Verarbeitung zum z.B. Schal.
Wünsche gutes Gelingen!
Grüsse von der Nordseeküste
Ulrich

Hallo Fabian,
also auf Java werden in der Seidenraupenzucht alle Puppen für die Nachzucht verwendet, also nie mit dem Kokon getötet. Da Samia ricini eine domestizierte Art ist, erübrigt sich auch der Gedanke an Inzucht etc.... Das ist immer "gesundes" Inzuchtmaterial, dass in der Regel auch nie krank wird da bereits seit langer Zeit (ca. 2000 Jahre) selektiert wurde. Auf Java sind übrigens die lebenden Cricula-Puppen deutlich teurer als die Kokons, weil sie geröstet als Delikatesse gelten. Samia-Puppen werden auf Java wohl nicht gegessen, aber die gerösteten Altraupen sind lokal eine Delikatesse. Nur deshalb hat sich in Yogyakarta eine Seidenindustrie entwickeln können, jeder zieht einen Nutzen aus der Zucht. Samia-Kokons sind preiswert zu kaufen, weil sie den Restaurants keinen Nutzen bringen würden.
Grüsse von der Nordseeküste
Ulrich

Mich würde es einmal interessieren, wie stark ein Kokon mit Reuse durch das Schlüpfen des Falters zerstört wird. Leere Kokons würden allerdings an der Oberfläche des Kochwassers schwimmen und weniger benetzt werden.

Moin Gerhard,
es ist praktisch egal, ob ein Kokon aufgeschnitten wird, um die Puppe lebend zu entnehmen, oder bis zum Schlupf gewartet wird. Die leeren Kokons "schwimmen" beim Kochen in Seifenwasser. Da von Attacus-Kokons nur etwa 50% als Seide brauchbar sind, der Rest kann nicht abgeraspelt werden, spielt es keine Rolle ob die Reuse aufgezupft, aufgeschnitten oder auf den Schlupf gewartet wird. Die harte innere Wand, die Kokons sind doppelwandig, kann in der Regel nicht abgeraspelt werden. Samia ricini wird immer aufgeschnitten und die Puppe entnommen, damit der Kokon sauber bleibt. Bei Cricula wird die Spitze des Kokons (Reuse) abgeschnitten und die Puppe entnommen. Es bleibt immer genügend Seide für die weitere Verarbeitung übrig.
Für alle Mitleser: Bin übrigens ab Montag für 4 Wochen in Indonesien und leider nicht auf ACTIAS erreichbar.
Grüsse von der Nordseeküste
Ulrich