Schmetterlinge als Umweltindikatoren

  • Moin zusammen !


    Stellvertretend für meine Tochter, die in Brandenburg im Natur- und Umweltschutz tätig ist, möchte ich folgende Frage stellen:


    Gibt es Literatur oder Informationen im Netz, anhand derer ich durch das Auffinden/Erfassen einer Schmetterlingsart auf die Güte des Biotops schliessen kann ? Also, ich finde z.B. die Art XY, und weiss dann, dass dieses Biotop ein intakter Trocken-/Magerrasen ist (Zeigerart).


    Bin mal auf die Antworten gespannt ...


    Viele Grüsse

    Hans

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  • Lieber Hans,

    genau diese Zielsetzung hatte mein leider schon verstorbener Freund und Mentor Sepp (Josef) Weidemann aus Untersiemau. Er war Apotheker und kannte sich brillant bei den Pflanzen seiner fränkischen Heimat aus. Er war mit einer der ersten, der den Grenzstreifen gleich nach der Wende kartierte und mich dabei mitnahm und instruierte.

    Er hat den Begriff der „Leitart“ geprägt, der in seinen Büchern umgesetzt wird. Dabei beruft er sich fast immer auf eine einzelne „Leitart“ für ein ganz bestimmtes Biotop, das natürlich von verschiedensten Umweltfaktoren geprägt ist. Geeignete Bilder zu den Faltern und Fluggebieten runden die umfassende Darstellung der „Leitarten“ ab. Keine Angst aber vor einer Unmenge an lateinischen Artnamen bei den Pflanzen, da muss man sich halt durcharbeiten.

    Wenn du dir den Tagfalterband und den Nachtfalterband antiquarisch besorgst, kannst du seine spezielle Betrachtungsweise verfolgen. Ich muss sagen, dass mich sein Sichtweise ganz stark geprägt hat, und bin ganz traurig, dass er so früh verstorben ist.


    Ich hoffe, ein wenig geholfen zu haben, und glaube, wir sollten die bereits zusammengetragenen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht in Vergessenheit geraten lassen.


    Otmar

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Hans,


    ich gehe davon aus, du meinst Literatur, die konkrete Arten listet (nicht einfach nur pauschale Aussagen, dass Schmetterlinge Indikatoren sind - davon gibt's ja genügend).

    Dann finde ich persönlich das "Hilfsprogramm für Schmetterlinge" von Blab & Kudrna (1982) recht sinnvoll.

    Hierin sind alle Tagfalter groben Formationen zugeschrieben (zB mesophile Offenlandbewohner, Bewohner xerothermophiler Rasen etc). Also nicht habitatgenau - jedoch dennoch ein schöner grober Überblick.


    Möchtest du es Habitatgenau, wird es schnell sehr umfassend. Das Buch von Otmar kenne ich nicht - klingt aber sehr gut. Ansonsten würde ich bspw. noch "Die Großschmetterlinge Mitteldeutschlands" (Band 1) von Bergmann (1951) empfehlen. Hier werden wirklich Habitate übergenau beschrieben und sowohl Pflanzen, Tag-und Nachtfalter zugeordnet.

    Also wenn es um eine grobe Übersicht geht (fände ich meist am sinnvollsten), tendiere ich zu Blab&Kudrna, wenn man es sehr detailliert möchte, ist Bergmann eine gute Empfehlung.

    Anbei ein paar Einblicke.

    Bergmann:

    Blab:


    LG,

    Toni

    • Offizieller Beitrag

    Also ich persönlich halte diese Idee für quatsch. Ich kann nicht in ein Biotop gehen, eine Art da finden und sagen: Das (eigentlich der) Biotop ist intakt. Was macht das für einen Sinn? Biotope werden immer von Biozönosen besiedelt und wenn ich abschätzen will wie der Zustand eines komplexen Systems ist, muss ich auch mehrere Teile daraus betrachten. Das wäre ansonsten wie eine Schraube aus einem Auto rauszudrehen, zu sehen dass diese noch ganz ist und festzustellen, dass das Auto nicht kaputt sein kann. Nichtmal bei Pflanzen macht man das so, auch wenn es dort Charakterarten für bestimmte Gesellschaften gibt. Sicher kann man die Biotopeigenschaften mit wenigen Arten abschätzen. Ich kann mir wohl sicher sein, dass es sich bei einem Habitat um einen Trockenrasen handelt wenn ich dort Melitaea didyma finde oder so. Aber das sehe ich ja auch wenn ich draufstehe. Das Problem mit Tieren, weswegen man dort auch keine Gesellschaften beschreibt ist einfach, dass sie sich bewegen. Schmetterlinge natürlich sehr viel mehr. Es gibt praktisch keine Tagfalterarten deren Aktionsradius so klein ist, dass er selten aus dem idealen Habitat herrausführt. Ich will sicher nicht behaupten, dass der Acker über den eine "Zeigerart" hin und wieder fliegt ein wertvoller Biotop ist.

    Wenn dann sind auf jeden Fall Nachtfalter besser geeignet um als ökologische Zeiger zu dienen. Es gibt mehr Arten, mehr Spezialisten und der Aktionsradius ist oft kleiner. Man muss wie gesagt aber mindestens einen Ausschnitt aus der Biozönose betrachten, also mehrere Arten die sich durch ihre starke Bindung an einen speziellen Habitattyp auszeichnen. Ich denke in dem Zusammenhang kann man sagen, dass die Bücher von Weidemann und die Reihe von Ebert & Rennwald "Die Schmetterlinge Baden-Württembergs" die umfassenste Zusammenstellung ökologischer Kenngrößen der heimischen Arten darstellen. Es gibt meines Wissens kein Nachschlagewerk wo einfach mal so Listen wie die Ellenbergschen Zeigerwerte drin sind. Weidemann kommt dem wohl am nächsten.

    • Offizieller Beitrag

    Also ich persönlich halte diese Idee für quatsch

    Einspruch!

    :grinning_face_with_smiling_eyes:


    Es gibt meines Wissens kein Nachschlagewerk wo einfach mal so Listen wie die Ellenbergschen Zeigerwerte drin sind

    Gibt es tatsächlich :winking_face: Wenn auch leider nicht für alle heimischen Tagfalter.


    Aber ich belasse es aufgrund des Zeitmangels gerade erstmal bei dem Einspruch... Ich werde später nochmal ausführlicher kommentieren :winking_face:

    • Offizieller Beitrag

    Einspruch!

    Abgelehnt. Um klar zu sein: Ich rede nicht davon einer Art irgendwelche Habitatcharakteristiken zuzuordnen. Natürlich kann ich (in gewissen Grenzen, weil natürlich herrscht hier überall ein Kontinuum) einer Art bestimmte Habitatansprüche zuordnen.

    Hierin sind alle Tagfalter groben Formationen zugeschrieben (zB mesophile Offenlandbewohner, Bewohner xerothermophiler Rasen etc)

    Also sowas.


    Das war aber nicht wie ich die Frage verstanden habe. Es ging dachte ich spezifisch darum "die Güte" des Biotops abzuschätzen. Was ich z.B. bei Tieren auch schlecht kann ist Arten Werte zuzuordnen wie die Ellenbergschen Zeigerwerte. Wie soll ich bei einer Schmetterlingsart sagen: " Kalkzeiger 5" ? Mal abgesehend davon sagt das nichts darüber aus wie gut das Habitat intakt ist. Bei Pflanzen sehe ich das auch nur wenn ich die Gesellschaft charakterisiere und feststelle das sie sich geändert hat- Das ist gleichbedeutend damit, dass eine zu schützende Gesellschaft verschwindet. Ebenso kann ich auch bei der ganzen Biozönose nur fetsstellen, dass sich die ganze Biozönose verändert, aber nicht sagen "Art XY ist weg der Maggerrasen ist tot". Also da wäre halt jetzt die Frage um was es hier konkret geht, was gemacht werden soll.

    Gibt es tatsächlich :winking_face: Wenn auch leider nicht für alle heimischen Tagfalter.

    Zeig :face_with_tongue:


    Grüße Dennis

  • @ Otmar und Toni: danke an Euch für Eure Beiträge. Ich kenne sowohl den Weidemann, und auch die Baden-Württemberg-Reihe, die Dennis erwähnt. Beide Werke sind sehr ausführlich, und ich werde sie weiterempfehlen.

    @ Dennis: danke auch Dir für Deine umfangreichen Erläuterungen.

    Also ich persönlich halte diese Idee für quatsch.

    Dein Wissen mag ja fast unendlich sein, allein an Bildung fehlt's noch ...

    Das (eigentlich der) Biotop

    Laut Duden sind sowohl "das" als auch "der" Biotop möglich. Aber wer ist schon Duden ...


    Und damit schliesse ich für mich die Diskussion ab.

    • Offizieller Beitrag

    Dein Wissen mag ja fast unendlich sein, allein an Bildung fehlt's noch ...

    Ich weiß nicht was dieser Kommentar soll. Ich hab nie behauptet viel zu wissen. Du zitierst sogar selbst einen Satz in dem steht "ich persönlich". Wenn keine andere Meinung oder ein Ideenaustausch gewünscht ist, dann vielleicht einfach solche Fragen lassen oder in der Frage einen Disclaimer anbringen "nur Antworten die mein Weltbild unterstützen erwünscht". Du kannst ja auch gern inhaltlich dagegen argumentieren. Was du machst ist ein ad hominem (Schein-) Argument zu nutzen, was einfach nur Personen diskreditiert ohne sich auf die Diskussion zu beziehen.

    Laut Duden sind sowohl "das" als auch "der" Biotop möglich. Aber wer ist schon Duden ..

    Tatsache. Ich wurde immer gerügt obwohl ich auch finde, dass das Biotop besser klingt. Benutze ich dann wieder wie vorher.


    Grüße Dennis


    EDIT: Für alle die sich eventuell daran stoßen, dass ich "quatsch" geschrieben habe: Das war von mir nicht abwertend gegenüber der Fragestellung gemeint. Als ich das schrieb war für mich die Bedeutung ich halte diese Idee (die Biotopqualität anhand einer einzelnen Art abzuschätzen) für unrichtig/nicht zutreffend/nicht zielführend. Falls dieser umgangssprachliche Ausspruch missverständlich war bitte ich um Entschuldigung.


    EDIT EDIT: Ich schätze vom griechischen Wortursprung "bios" (Leben) und "topos" (Ort) macht der "Lebensort" also der Biotop mehr Sinn. Jetzt bin ich gespalten :thinking_face: Ich weiß schon Haarspalterei, aber ich fand's interessant

    • Offizieller Beitrag

    Zeig

    Ich bin dir ja noch etwas schuldig... :smiling_face_with_halo:

    (https://www.academia.edu/62825…n_in_a_changing_landscape)

    :grinning_squinting_face:

    Es ging dachte ich spezifisch darum "die Güte" des Biotops abzuschätzen.

    Und eben hier würde ich dir widersprechen.

    Zunächst vllt. noch einmal kurz zu deiner Aussage zu den Pflanzen...es kommt bei dir ja so rüber, als ob es bei Pflanzen noch einigermaßen (zumindest mit Gesellschaften) möglich wäre, dann bei Insekten aber überhaupt nicht mehr. Tatsächlich würde ich es eher umgedreht formulieren: dass Insekten eine deutlich höhere Indikatorfunktion haben als Pflanzen. Pflanzen sagen dir oftmals nur sehr wenig über die Habitatgüte aus, da sie langlebig sind und das Extinction depth (also das verzögerte Aussterben) sehr hoch sein kann. Bei Insekten ist dies nicht der Fall. Passt das Habitat mal ein Jahr nicht, kann eine Art schon verschwunden sein (oder umgekehrt sich wieder angesiedelt haben).

    Und nun noch einmal etwas konkreter: habe ich bspw. eine xerothermophile Schmetterlingsart, die nur auf Magerrasen vorkommt, kann ich mir sicher sein, dass auch dort der Magerrasen noch intakt ist. Dünge ich hier, verschwinden die Futterpflanzen und die Schmetterlingsart verschwindet ebenfalls. Das kann etwas dauern - wie oben beschrieben, können Pflanzen teils noch recht lange überdauern und Gesellschaften intakt sein. Allerdings kann es sein, ass die Bewirtschaftung zwar die Pflanzen nicht vollständig verschwinden lässt (also Gesellschaften erhalten bleiben) - deren Dichte sich jedoch stark verändert. Nehmen wir an, der Grasanteil steigt, Vegetation wird dichter, Pflanzen kommen nicht zur Blüte, das Mikroklima wird kühler und feuchter. Kartierst du die Pflanzen wirst du vermutlich keine großen Effekte feststellen bzw. die Güte nur schwer abschätzen können. Die xerothermophilen Arten jedoch werden schnell verschwinden.

    Oder nehmen wir das Beispiel der Ameisenbläulinge. Hier kannst du über die Falter Rückschlüsse darauf ziehen, wann eine Fläche gemäht oder beweidet wird. Die Pflanzengesellschaften ändern sich hierbei oftmals nicht unmittelbar - sind also ebenfalls nicht als Indikator für Bewirtschaftung in Betracht zu ziehen. Trittempfindliche Arten zeigen dir an, ob eine Fläche gemäht oder beweidet wird. Arten die Offenboden benötigen, zeigen dir die Nährstoffverfügbarkeit der Fläche an. Etc.

    Über die Insekten lässt sich also die Güte und Bewirtschaftung eines Habitats um ein vielfaches besser abschätzen als über die Pflanzen. Insbesondere, da sie nicht nur auf die Pflanzenarten (entweder/oder) angewiesen sind, sondern eine Vielzahl an biotischen und abiotischen Eigenschaften.

    Nicht umsonst gelten u.a. Schmetterlinge als hervorragende Indikatorarten (u.a. Erhardt 1985, Erhardt & Thomas 1991, Kühn et al. 2015, Settele 2008, Stuhldreher & Fartmann 2018, Van Swaay & Van Strien 2005, Van Swaay et al. 2016)


    -Erhardt, A. (1985) Diurnal Lepidoptera: Sensitive Indicators of Cultivated and Abandoned Grassland. Journal of Applied Ecology, 22, 849-861
    -Erhardt, A., Thomas, J.A., 1991. Lepidoptera as indicators of changes in the semi-natural grasslands of lowland and upland Europe. In: Collins, N.M., Thomas, J.A. (Eds.), The Conservation of Insects and Their Habitats. Academic Press, London, pp. 213–237
    -Kühn, E., M. Wiemers, R. Feldmann, M. Musche, A. Harpke, O. Schweiger, N. Hirneisen, and J. Settele. 2015. Tagfalter-Monitoring Deutschland (TMD) und europäische Indikatoren -erste Langzeitergebnisse und ihre Verwendung im Naturschutz.in N. Bundesverband Beruflicher, editor. Verantwortung für die Zukunft. BBN, Bonn.
    -Settele, J., J. Dover, M. Dolek, and M. Konvička. 2008. Butterflies of European ecosystems: impact of land use and options for conservation management. Pages 353-370. In J. Settele, T. Shreeve, M. Konvička, and H. Van Dyck, editors. Ecology of Butterflies in Europe. Cambridge University Press, Cambridge
    -Van Swaay, C. A. M., A. J. Van Strien, K. Aghababyan, S. Åström, M. Botham, T. Brereton, B. Carlisle, P. Chambers, S. Collins, C. Dopagne, R. Escobés, R. Feldmann, J. M. Fernández-García, B. Fontaine, S. Goloshchapova, A. Gracianteparaluceta, A. Harpke, J. Heliölä, G. Khanamirian, B. Komac, E. Kühn, A. Lang, P. Leopold, D. Maes, X. Mestdagh, Y. Monasterio, M. L. Munguira, T. Murray, M. Musche, E. Õunap, L. B. Pettersson, J. Piqueray, S. Popoff, I. Prokofev, T. Roth, D. B. Roy, R. Schmucki, J. Settele, C. Stefanescu, G. Švitra, S. M. Teixeira, A. Tiitsaar, R. Verovnik, and M. S. Warren. 2016. The European Butterfly Indicator for Grassland species: 1990-2015. De Vlinderstichting, Wageningen
    -Stuhldreher, G., and T. Fartmann. 2018. Threatened grassland butterflies as indicators of microclimatic niches along an elevational gradient – Implications for conservation in times of climate change. Ecological Indicators:83–98

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    Gut, also ich denke hier werden zwei unterschiedliche Sachen zusammengeworfen (die sich vielleicht an speziellen Punkten überschneiden mögen). Das eine ist von dem Vorkommen einer Art Rückschlüsse auf Habitateigenschaften zu ziehen (sprich Art XY wurde gefunden das Habitat muss daher feucht sein). Das andere ist zu sagen ob ein Habitat in "gutem Zustand" ist. Was auch immer das heißen mag. In meinem Verständnis würde das bedeuten, dass die Biozönose welche dort als typisch erachtet wird unverändert fortbesteht und sich kritische abiotische Parameter nicht nennenswert ändern. Sprich ein Hochmoor sollte die typischen Moorarten enthalten wie Sphagnum, Drosera etc. und sollte sauer, nährstoffarm und nicht grundwasserbeeinflusst sein. Wir diskutieren dachte ich über letzteres. Da war mein Kritikpunkt oder etwas dem ich nicht zustimmen würde, zu behaupten, dass man das anhand einer einzelnen Art abschätzen kann.


    Vielleicht hab ich das nicht deutlich genug gemacht, aber ich wollte an keiner Stelle in Abrede stellen, dass Schmetterlinge (insbesondere Nachtfalter) sehr gute Indikatorarten darstellen. Im Bezug auf die Habitatqualität wird dabei aber eigentlich immer die Artendiversität betrachtet. Auch bei den von dir zitierten Publikationen fällt auf (jedenfalls soweit ich das auf die Schnelle beurteilen kann, ich hab jetzt keine Zeit die alle zu lesen), dass überall da wo es um die Herleitung von Habitatparametern geht sehr wohl einzelne Arten untersucht und gelistet werden, aber dort wo es um die Habitatqualität und Langzeittrends geht, immer Gesamtartenzahlen betrachtet werden. Ich würde nicht wirklich sagen wollen, "ich hab Colias palaeno gefunden das hier ist ein intaktes Moor". Das ist noch ein schlechtes Beispiel für meine Argumentation, weil C. palaeno wirklich sehr empfindlich auf Lebensraumzerstörung reagiert. Trotzdem war ich selbst schon in Mooren, die quasi aussterbende Populationen von C. palaeno beherbergt haben, die ich nicht mehr als intakt bezeichnen würde. Hier würde man wahrscheinlich feststellen, dass schon Grundwassereinfluss besteht, der Wasserhaushalt massiv beeinträchtigt ist und eine Reihe von anderen typischen Arten längst ausgestorben sind. Das Fehlen einer Schlüssel- oder Charakterart mag hier eher noch einen Anhaltspunkt bieten. Ich wäre zum Beispiel wesentlich weniger gegen die Aussage "ich hab keine C. palaeno mehr gefunden, das ist kein intaktes Moor mehr". Hier muss aber dann natürlich sichergestellt werden, dass man die nicht nur nicht gefunden hat. Also generell bin ich nach wie vor der Meinung, dass nur eine Betrachtung der Artendiversität (vielleicht eingegrenzt auf eine Auswahl von Indikatorarten, welche dann z.B. von indifferenten Arten die eh überall vorkommen bereinigt ist) eine Aussage über die Habitatqualität liefert.

    Pflanzen sagen dir oftmals nur sehr wenig über die Habitatgüte aus, da sie langlebig sind und das Extinction depth (also das verzögerte Aussterben) sehr hoch sein kann.

    Ja, wenn du nur eine Art betrachtest schon. Wenn du die Gesellschaften betrachtest nicht so sehr, weil man dann Änderungen in der Deckung und Artenzusammensetzung erwarten würde und die wiederum stellen sich doch recht schnell ein. Dass bei hohem Nährstoffeintrag Ruderalzeiger in eine Fläche eindringen kann innerhalb von 3 Jahren passieren. Dafür sollte man aber natürlcih eher kleinflächige Vegetationsaufnahmen machen (wenn man das quantitativ macht ist das u.U. noch viel sensitiver, was bei Insekten schon gar keinen Sinn hat, weil man nichtmal exakt sagen kann wieviel davon in einer Fläche wirklich sind)

    Allerdings kann es sein, dass die Bewirtschaftung zwar die Pflanzen nicht vollständig verschwinden lässt (also Gesellschaften erhalten bleiben) (...)

    Nehmen wir an, der Grasanteil steigt, Vegetation wird dichter, Pflanzen kommen nicht zur Blüte, das Mikroklima wird kühler und feuchter. Kartierst du die Pflanzen wirst du vermutlich keine großen Effekte feststellen (...)

    Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich eine Änderung der Bewirtschaftung nicht in der Zusammensetzung der Pflanzengesellschaften niederschlägt. Allein deine Aussage der "Grasanteil steigt", die Vegetation wird dichter" impliziert eine Änderung der Pflanzengesellschaften. Es würde dann vermutlich eine Grasart dominieren und damit auch eine andere Pflanzengesellschaft als wenn zuvor eine Gesellschaft vorlag die kaum durch Gräser charakterisiert war. Die Ruderalisierung von Binnendünen lässt sich z.B. sehr gut am Eindringen von Grasarten über sukzessive Änderungen durch mehrere Pflanzengesellschaften nachvollziehen. Ich nenne hier mal Schwabe, Eichberg, Stroh und Storm (2015) . Das kann man in der Regel schon lange bevor eine Charakterart der Insekten ausstirbt, da ich auf solchen ruderalisierten Flächen auch noch verschieden typische Offenland- und Dünenbewohner wie H. euphorbiae finden konnte. Eigentlich sollte das auch Sinn ergeben, schließlich sind Schmetterlinge in erster Linie auf die Pflanzenzusammensetzung angewiesen (steht sogar in dem Paper von Oostermeijer). Alles was in einer Änderung des Mikroklimas, des Nährstoff- und Wasserhaushalts und allen möglichen anderen abiotischen Faktoren, wie auch biotischen Faktoren (z.B. Beweidung) resultiert, bekommen die Pflanzen zuerst ab und dann erst die Schmetterlinge. Nur in wesentlichen Spezialfällen kann für Schmetterlingsarten ein anderer Faktor limitierend sein. So etwa für die Ameisenbläulinge der Blühzeitpunkt und die Verfügbarkeit der Ameisennester oder bei Alpenarten vielleicht klimatische Bedingungen.


    Deswegen zum Schluss noch ein Punkt in dem ich deinen Standpunkt teilen möchte:

    Oder nehmen wir das Beispiel der Ameisenbläulinge. Hier kannst du über die Falter Rückschlüsse darauf ziehen, wann eine Fläche gemäht oder beweidet wird.

    Das ist ein relativ spezieller Fall in dem ich zustimmen würde, dass hier eine einzige Art sehr viele Rückschlüsse auf ein Habitat und dessen Bewirtschaftung zulässt. Das ist natürlich dem geschuldet, dass man hier gleich Rückschlüsse auf das vorhandensein von zwei Arten (Wiesenknopf und Ameisen) und auf zeitliche Parameter erhält (Blütenentwicklung). Diese hohe Aussagekraft hat man nun nicht bei allen Arten. Ich würde trotzdem sagen, dass viele Arten gute Rückschlüsse auf sehr kurzfristige zeitliche Einflüsse wie Mahd und Beweidung liefern können. Eine Pflanze blüht halt nochmal oder treibt nochmal aus wenn sie abgemäht wurde. Wenn manche Schmetterlingsarten kein Futter zu einer bestimmten Zeit finden ist halt Sense. Soetwas lässt sich in der Tat mit Pflanzen praktisch gar nicht erkennen (bei sehr hoher Mahdintensität oder Beweidungsdruck würde man es irgendwann schon erkennen). Trotzdem bleibe ich dabei, dass für eine Bewertung eines Habitats immer mehrere Arten betrachtet werden müssen und sollten. Schließlich handelt es sich wie gesagt immer noch um eine Biozönose die aus einer Gesamtheit an Arten besteht die voneinander abhängen. Ich würde mir als Schmetterlingsspezialist nichtmal anmaßen wollen den Gesamtzustand eines Habitats nur anhand der Schmetterlingsdiversität abschätzen zu wollen (auch wenn das sicher ein sehr guter Anhaltspunkt ist).


    Grüße Dennis


    P.S.: Danke für das Oostermeijer Paper. Ich weiß noch nicht was ich davon halten soll, aber auf jeden Fall interessant, muss ich mir mal genauer durchlesen.

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