Hallo zusammen,
mir ist wieder mal bei der Arbeit und beim alltäglichen Literaturwälzen was aufgefallen und möchte darauf etwas Aufmerksamkeit lenken. Ich beschäftige mich ja generell viel mit der Ökologie von (Schmetterlings-) Arten aber dabei immer gern auch vorrangig mit der Nahrungsbiologie. Leider fällt mir dabei immer wieder auf wie schlecht die Freilandnahrungspflanzen der europäischen und auch der in Deutschland heimischen Schmetterlingsarten dokumentiert und bekannt sind. Das ist denke ich auch nicht mir als erstes aufgefallen.
Die Literatur ist voll mit uralten Angaben, die zu großen Teilen auf Zuchtbeobachtungen beruhen und damit keine ökologische Aussagekraft besitzen. In der Zucht können Arten andere Pflanzenarten annehmen, als für sie im Freiland Bedeutung haben, entweder weil nichts anderes angeboten wurde oder weil andere Pflanzenarten durchaus befressen werden könnten, diese aber nicht im Habitat der Art vorkommen oder sie durch deren Einnischung nie damit in Kontakt kommt (es dürfte z.B. bekannt sein, dass Charaxes jasius im Freiland streng monophag an Arbutus lebt, in der Zucht aber verschiedenste Pflanzen aus unterschiedlichen Familien annimmt). Erschwerend hinzu kommt, dass Literaturangaben die teilweise schlicht falsch sind, lange und teils immer noch unkritisch abgeschrieben und somit weiter in Umlauf gehalten werden. Zuchtbeobachtungen sind wichtig, können aber nicht mit Freilandbeobachtungen gleichgesetzt werden. Daher ist es auch hilfreich dies immer anzugeben. Wenn denn tatsächlich mal Freilandbeobachtungen vorliegen, aber auch bei Zuchtbeobachtungen, werden oftmals nur sehr ungenaue Angaben der Gattung oder mit unscharfen Begriffen (z.B. niedere Pflanzen, Kräuter, Gräser) gemacht. Das ist insbesondere bei polyphagen Arten der Fall, die auch gerne relativ faul einfach nur als polyphag bezeichnet werden.
Umso mehr ist es schade, dass viele Funde von Raupen (oder seltener auch Eiern, Eiablagen) in jüngster Zeit ohne Angaben der Nahrungspflanze dokumentiert werden. Bei manchen Arten ist es schwierig und daher selten genug die Präimaginalstadien im Freiland zu finden. Wenn da dann eine so wichtige Information fehlt, ist das bedauerlich.
Man kann natürlich jetzt fragen warum sollte man sich die Mühe machen, denn zusätzliche Arbeit ist es ja schon. Nun abgesehen von evolutionsbiologischen Fragestellungen und ökologischer Grundlagenforschung hat die Kenntnis der Nahrungspflanzen eine sehr praktische Relevanz im Naturschutz. Da phytophage (heißt pflanzenfressende) Arten natürlich von Pflanzen abhängen und gerade weil viele Schmetterlinge auch auf einzelne Pflanzen spezialisiert sind (Mono- und Oligophagie), ist es notwendig diese zu kennen um sinnvolle Schutzkonzepte zu entwickeln. Nur so kann man die Pflege der Habitate richtig auf die Bedürfnisse der Pflanzen ausrichten oder in einigen Fällen braucht eventuell auch die Pflanze selbst Schutz oder Wiederansiedelung. Ohne die Kenntnis der Nahrungspflanzen kann man praktisch keinen Artenschutz durchführen. Da das auch regional unterschiedlich sein kann, ist eine gut aufgelöste Datenlage somit nicht nur schön zu wissen, sondern sehr wichtig.
Ich möchte daher alle aufrufen die Beobachtungen beitragen (vielleicht auch oft zufällige), insbesondere diejenigen die gezielt nach Eiern und Raupen suchen die Nahrungspflanzen möglichst immer mit zu dokumentieren. In observation.org und den assoziierten Apps gibt es dafür z.B. auch ein eigenes Feld „Auf/In“. Dabei sollte man allerdings noch darauf achten, dass die betreffende Pflanze auch tatsächlich eine Nahrungspflanze ist, sprich die Raupe daran gefressen hat. Im Idealfall beobachtet man die Raupe direkt beim Fressen oder sieht im Umfeld deutliche Fraßspuren. Wenn es sich um allgemein bekannte Nahrungspflanzen handelt, ist es auch in Ordnung diese ohne Fraßspuren zu dokumentieren, aber wenn die Pflanze noch nicht bekannt ist und es sich nur um einen Ruheplatz handeln könnte (Raupen fallen gern mal von Bäumen oder sitzen auf dem Weg zur Verpuppung irgendwo herum) dann im Zweifel lieber nicht aufschreiben oder nur als Notiz vermerken. Bei Eiablagen und Eiern kann es schwierig werden. Manche Arten sind dafür bekannt ihre Eier ausschließlich an die Nahrungspflanze zu legen und manche dafür sie an alles Mögliche zu legen. Auch hier möglichst nur Pflanzen dokumentieren die sehr wahrscheinlich auch als Nahrungspflanzen dienen können.
Nun weiß ich natürlich, dass Entomologen keine Botaniker sind und eventuell nicht in der Bestimmung von Pflanzen versiert sind. Zumindest bei den Bäumen ist es in Mitteleuropa aber relativ einfach sich diese anzueignen. Heute ist das ja durch die Bestimmungsapps auch wesentlich leichter geworden. Einige Arten bereiten allerdings auch den Apps Probleme, in dem Fall sollte man die Pflanze möglichst komplett mitnehmen oder aus allen Winkeln fotografieren. Es gibt gute Bestimmungsschlüssel zum durchklicken im Internet (z.B. blumeninschwaben.de). Falls man gar nicht weiterkommt kann einem bestimmt jemand im Forum oder ein Botaniker weiterhelfen. Ich bin zwar auch kein Botaniker, aber botanisch (zumindest was Schmetterlings-Nahrungspflanzen angeht) ganz gut bewandert. Wenn Interesse besteht, kann ich daher auch gerne ein wenig Hilfestellung geben.
Grüße Dennis