January 25, 2023 at 5:02 PM - Posts: Freilandforschung, Title: Literature, Publications
„Ich halte das nicht für besonders hilfreich. Ich wollte das erst ausführlich begründen, aber das sprengt denke ich den Rahmen. Kurzfassung ist die: Methodisch schwierig und im Endeffekt nicht viel besser als ein "gemischtes" Phänogramm. Viel wichtigerer Punkt ist der: Wie kommen die Phänogramme zustande? Die werden aus Beobachtungsdaten erstellt. Wenn bei einer Art Männchen leichter zu beobachten sind, dann ist das Phänogramm automatisch biased in Richtung der Männchen. Das Phänogramm ist dann eigentlich falsch, aber zum Kartieren dann auch wieder richtig. Insofern sind die Phänogramme wahrscheinlich ganz gut.“
Das hatte ich nicht weit genug ausgeführt. Die Frage stellte sich mir erstmalig, als ich Weibchenfunde eher im letzten Teil des Phänogramms vermerken musste, mitunter auch noch darüber hinaus. Wobei hier die Praxis Hinweise liefert und das qualitative Phänogramm nicht alle wichtigen Komponenten auf einen Blick liefert (quantitatives Aufkommen hatte ich erwähnt + zusätzlich Ökologie Verhältnis+Funktion+Lebensdauer beider Geschlechter während der gesamten Falterflugzeit), hauptsächlich relevant um über Fähigkeiten der Arten in ihrer Imaginalzeit zu argumentieren und Zusammenhänge zu verstehen. Wohlgemerkt, hauptsächlich wenn sich beide Flugzeiten deutlich unterscheiden (insbesondere quantitativ wie bspw. bei Plebejus idas und evtl. Limenitis populi, Limenitis camilla).
Und auch in Verbindung mit der zweiten Frage, ob bestimmte Arten anhand von Weibchen besser zu kartieren wären, würde es auch der Kartierung schwierig zu kartierender, insbesondere dispergierender Arten nützen (evtl. Lycaena dispar).
Das heißt sowohl Qualität und Quantität der Art lassen immer noch die Frage, welche Möglichkeiten bei der geschlechterspezifischen Kartierung zustande kämen. Aufwand + 400%? Suche am Ende der Falterflugzeit trotz quantitativen Aufkommens (deutlich unter 60%)?
Beispielsweise müsste man in dem Fall evtl. an Lockpflanzen entsprechender Säume und ähnlicher Strukturen, welche den Weibchen als Flugschneisen der Orientierung zur Ausbreitung nützen längere Zeit warten, könnte aber abseits von den Stammhabitaten Arten in ihrer Ausbreitung sichten bzw. seine Kartierung auch auf das Ende der Falterflugzeiten verlagert.
Wohlgemerkt sei hierbei aber natürlich, dass viele Phänogramme wohl hauptsächlich durch Funde von Männchen entstanden sind und die Ökologie der Weibchen weniger gut belegt ist und deutlich schwieriger aufgrund guter Tarnung untersuchbar ist.
Aus praktischer Sicht auf den ersten Blick nutzlos, aus ökologischer Sicht von mäßigem Wert.
Ich denke aber das man zumindest einige wenige Arten darauf beziehen sollte (bspw. Lycaena dispar), kurzer männlicher Zeitraum, aber Weibchen kann sehr lange darüber hinaus angetroffen werden.
Parallel könnte ich noch auf 2 weitere Fragen verweisen.
Wer bestimmt, wielange die Arten leben (was zusätzlich artspezifisch untersucht sein müsste + regional, partielle Generationen?) und wie läuft ein Männchen-, Weibchenleben ab (nach Eiablage noch 4 Tage leben?)
Um das Ausbreitungsverhalten von Arten zu untersuchen, bräuchte man die Flugzeit der Weibchen.
Zusätzlich leben die Weibchen eher versteckt und für die Lebensräume abseits von Männchenlebensräumen bräuchte man zwingend die quantitativen Vorkommen der Weibchen, auch zur Untersuchung von Priorisierung der Eiablagen.
Phänogramme unterteilt in Männchen und Weibchen fänd ich super interessant. Man könnte auch die Schnittstellen beider nutzen, um zu sehen, was die effektive Fortpflanzungszeit ist bzw. ob bestimmte Arten nicht gleichzeitig schlüpfen, sondern versetzt und das praktisch belegen.
„weil eigentlich sind alle Schmetterlinge r-Strategen. Ich schätze man kann das nochmal feiner unterteilen, aber dieselbe Nomenklatur dafür zu verwenden ist irgendwie etwas verwirrend... Jedenfalls ist das ein wichtiger Punkt den man verstehen sollte, weil er große Implikationen für Schutzansätze hat. Das deutsche Naturschutzsystem und auch die Ansätze von Naturschutzorganisationen sind extrem individuenzentriert. Das geht aber leider bei Schmetterlingen furchtbar schief. Das ist denke ich auch ein menschlicher Denkfehler, da wir selber eben sehr individuenzentriert sind.“
Ich kann mir bei Insekten eigentlich nur r-Strategen vorstellen. Hab da aber auch noch nie die K-Strategen als Option gesehen. Das ist vermutlich ein Irrglaube, weil viele Arten vereinzelt Eier ablegen. Ich kann hierbei nur nochmal auf das Beispiel mit Saturnia pavonia verweisen, wobei hier in einem Thema von Actias zusätzlich der Gedanke aufkam, dass die Art als Besonderheit in einem Massengelege ablegt und dann nur noch vereinzelt, was vermutlich auch auf andere Arten übertragbar wäre. Massengelege könnten bei manchen Arten, insbesondere der Tagfalter (z.B. Satyrium pruni, Thecla betulae) aufgrund der Eiform und energieintensiven Eiablage in Abhängigkeit der Sonneneinstrahlung max. in Eigrüppchen erfolgen, wenn die Eier optimal verflüssigt sind (vgl. obiger Beitrag).
Allerdings hatte ich auch schon die Frage aufgestellt, wie die Ablagemengen der jeweiligen Arten entstehen. Die ökologischen Kenntnisse sind halt noch terminiert. In dem Fall hätte man dann im Naturschutz möglicherweise entsprechende Argumente für die r-Strategen, wenn die Ansätze individuenzentriert sind. Das meinte ich mit, mehr ökologisches Wissen kann auch dem Artenschutz helfen. Wir wissen das nötigste, aber dann fehlt halt auch noch einiges.
Zusätzlich sollte dann das Argument möglichst einfach verständlich und allumfassend sein, was bei artspezifischen Unterschieden wohl oft zu Unstimmigkeiten führt.
Hochkomplexes Thema, nachvollziehbar dass der ein oder andere hierbei ausgestiegen ist, aber ich denke schon, dass im ökologischen Verständnis durchaus noch Potenzial nach oben ist, wenn man die Arten verstehen möchte und im Artenschutz sehr konkret werden will. Wobei hier natürlich immer der Nutzen gesehen werden muss und Mehraufwand meist wohl nur Wissen ohne Anwendungsbezug bereitstellt.
Wobei wir wieder bei der Thematik wären, je exakter und spezifischer die Fragestellung, umso weniger verständlich ist es nachzuvollziehen und die Effektivität der Wissensvermittlung nimmt ab.
„Oft auch artspezifisch, bei Schmetterlingen möglicherweise aufgrund des höheren Nahrungsbedarfs der Weibchen oft etwas zu den Männchen verschoben?“
Das wäre vermutlich bei terminierter Anzahl an Raupenfutterpflanzen äußerst problematisch, wenn das Verhältnis mitunter auch stärker schwanken könnte, allerdings habe ich dazu noch nirgends etwas gelesen. Ich könnte mir vorstellen, dass auf einer lückig bewachsenen Wiese (vgl. Bild „begünstigte Eiablage Hauhechel-Bläuling“) die terminierte Anzahl an geschwächten, besonnten Raupenfutterpflanzen bei hoher Eizahl pro Pflanze wieder kontraproduktiv ist. Man muss hierbei aber anfügen, dass wohl die Jungraupen beim Verschwinden der Nahrungsquelle entweder bereits früher in die Überwinterung gehen (da in diesem Beispiel vermutlich letzte Sommergeneration erreicht) oder sich weniger gut geeignete Raupenfutterpflanzen im Umkreis suchen. (Überwinterungsstadium von Polyommatus icarus L3, Colyas hyale L2/L3 nach „Schmetterlinge – Die Tagfalter Deutschlands“ von Settele, J. et al. (Ulmer Verlag, Halle, Filderstadt, Mittweida, Leipzig, 256 S., 2015)
Gruß Kai