Züchter erleben fast täglich kleine Wunder und können sich an vielen Dingen freuen, die anderen verborgen bleiben.
Dann gibt es auch - eher selten - Tage mit Misserfolgen, mit unbefruchteten Eiern, kotzenden Raupen und verkrüppelten Faltern.
Gestern hatte ich so einen Horrortag.
Es beginnt damit, dass die Räupchen vom Kleinen Fuchs, die ich für eine Schule vorbereite, die Brennnesseln nicht fressen wollen, die ich ihnen anbiete. Sie sind wohl überdüngt oder sonst ungenießbar. Kein Problem denke ich und gehe zu Fuss an den nahen Waldrand , wo es Brennnesseln in Hülle und Fülle gibt. Respektive gab. Der Ortsgärtner hat in mühevoller Kleinarbeit den Waldrand schön gerade geschnitten - eine wahre Pracht! Ohne störende Brennnesseln natürlich.
Ich bin sauer und marschierte weiter dem sonnigen Abhang entlang. Irgendwo wird es ja bestimmt noch Brennnesseln geben.
Eine geschlagene Stunde dauert der Fussmarsch bis ich fündig werde und ein paar kümmerliche Nesseln abschneiden kann. Rückweg anderthalb Stunden - ich merk's ich bin auch nicht mehr der Jüngste.
Ich denke: Jetzt erst etwas Flüssiges aus dem Kühlschrank, dann werden die Nesseln verfüttert.
Falsch gedacht! Über den offenen Nesseln kreisen nämlich vier Feldwespen, jene mit den langen Beinen. Eine trägt schwer. Sie hat sich ein Räupchen gepackt und trägt gerade einen Teil davon weg. Die andere Hälfte liegt noch auf dem Blatt.
Das geht natürlich nicht! Es sind meine Raupen, und ich brauche sie! Ich kann doch den Kindern in der Schule nicht erzählen, dass ihre Raupen als Wespenfutter gedient haben.
Verjagen lassen sich die Fleischräuber nicht. Die Banditen lassen sich von mir nicht stören.
Erst nach unzähligen Fehlversuchen kann ich eine davon mit einem Lappen erschlagen, weil sie sich nach dem ausgiebigen Mahl an der Hauswand ausruhen will.
Ich erdrücke sie, bis sie platt und still ist und zeige dann den Kadaver den anderen al-Qaida-Wespen. Doch diese zeigen keinen Respekt und metzeln meine Räupchen weiter.
Jetzt werde ich richtig böse und gehe ich mit der Schere auf sie los. Folge: zwei Tote und zwei fliegen wohl total verschreckt davon.
Das ist aber ein Irrtum. sie fliegen nur in ihr Hauptquartier um Verstärkung zu holen.
Plötzlich sind sie da - sechs Stück - lautlos mit ihrer Stealth-Technologie, die sie lange vor den Amis erfunden haben.
Die Raupen wehren sich, aber haben keine Chance, wenn die Wespe einmal angesetzt hat.
Wie ich diese Viecher hasse! Man müsste ein Wespen-Guantanamo einrichten.
Doch ich werde auch immer besser, rette mindestens zwei Dutzend Raupen, indem ich sie samt Brennnesseln in ein Aerarium versetze. Vorher waren sie im Freien.
Nach einer Stunde ist die Schlacht im Garten zu Ende. Um ehrlich zu sein, nicht etwa weil ich alle Feinde erledigt habe, sondern weil sie mit ihre Beute wegfliegen und nicht wieder kommen.
Ich bin erschöpft und durstig. Aber der Ärger ist nicht zu Ende. Unbemerkt von mir ist daneben im offenen Puppenkasten, den ich an die Sonne gestellt habe, ein Schwalbenschwanz geschlüpft. Ein Weibchen! Endlich, nach sechs Männchen! Leider habe ich das Schlüpfen nicht bemerkt. Hingegen die Katze. Sie hat den neuen Erdenbürger richtig zerfetzt und zeigt mir noch stolz die Beute.
Wieder nichts mit Eierlegen.
Ein Tag zum Vergessen.
Eigentlich habe ich ja nichts gegen Wespen.
Aber fresst was anderes! Nicht meine Raupen.
Bild Sebastian