Warum sammeln Sammler?

  • @ Steffen


    Ich widerspreche Dir in gewissen Grenzen. Ich gebe Dir vollkommen Recht, wenn jemand sammelt, aber die Daten nicht zugänglich macht. Dann kann derjenige auch Briefmarken mit Schmetterlingsmotiven sammeln. Das kostet wenigstens kein Leben. Einige meiner Bekannten sind gewissermaßen Briefmarkensammler, deren Tätigkeit ich aber nicht nur akzeptiere, sondern sogar gut heiße. Der wissenschaftlich tätige kann nicht überall gleichzeitig sein, so dass gerade solche Leute unser Wissen durch ihre sammlerische Tätigkeit erweitern und den Datenpool wesentlich erhöhen. Das funktioniert aber nur, weil sie ihre Daten zugänglich machen. Und das tun alle, die ich bisher kenne. Ich habe in diesem Sinne noch kein "Schwarzes Schaf" kennen gelernt. Irgendwann wird aber das erste mal sein.


    Erlaube mir aber die Kritik an Deinem Post an Franz: den Satz "geht's noch dümmer" akzeptiere ich, weil Franz das Echo seines Rufes verkraften können sollte. alles folgende halte ich für unnötig, da es nur einheizt. Ich weiß aber, dass ich auch kein Kind von Traurigkeit bin und zuweilen über's Ziel hinaus schieße.


    @ Franz


    Die Kritik, die ich Steffen gegenüber geäußert habe, muss ich auch Dir gegenüber äußern. Im Prinzip alles ok, aber der Satz "geht's noch dümmer" ist unpassend. Das solltet Ihr aber untereinander klären.


    @ Tim


    Danke für die Blumen. Der Vergleich mit dem Jäger hinkt ganz leicht, aber eher aus ethischen Gründen, denn die Hemmschwelle ein Wirbeltier zu töten ist einfach höher als die Hemmschwelle ein Insekt zu töten. Im Grunde genommen hat er aber Recht. Dadurch, dass er sich mit dem Objekt seiner Begierde beschäftigt, weiß er in seinem Revier um ein vielfaches besser bescheid, als die meisten anderen.


    Was den Hirschkäfer betrifft, so ist dieser nicht selten, weil er dämmerungs- und nachtaktiv ist. Das bedeutet einfach nur, dass er selten gefunden würde, weil zur falschen Zeit gesucht wird. Nachts aktiv würde dann aber bedeuten, dass der Käfer an sich häufig ist. Ist er aber nicht, bzw. widerspreche ich mir mit dieser Aussage in so fern selbst, dass ich immer sage, dass es keinen seltenen Käfer gibt, nur ein seltenes Biotop, denn im richtigen Biotop ist der Käfer häufig. Ich könnte jetzt ellenlang erzählen, worauf ich hinaus möchte, aber lest Euch einfach folgendes durch. Es stammt aus meiner Feder und ist untermalt mit Bildern von meinem Freund Christoph Benisch. Zu finden auf den Seiten von Kerbtier.de


    Hirschkäfer


    Soviel sei gesagt: die Seltenheit beruht nicht auf Ackerbau und Verdrängung von Wäldern oder ähnlichem, sondern auf der form der Nutzung des Waldes. Dabei ist die Nutzung des Waldes als Holzlieferant nicht das Problem, sondern der Zeitpunkt der Fällung. Aber lest es euch durch.


    Das kriegst Du aber eben nicht raus, in dem Du draußen Hirschkäfer fotografierst. Dafür musst Du Untersuchung, wobei die Untersuchung hierfür weniger mit dem Präparat zu tun hat, als viel mehr mit dem lebenden Objekt. Nur, wie gesagt: wenn einer in der Nähe wohnt, nehme ich ihn gerne mit und zeige ihm, wie ich suche. Ich habe keine Skrupel einzugestehen, dass ich Serien mitnehme, denn auch das ist sinnvoll erklärbar. Last but not least zählt der Umgang mit und die Einstellung zur Natur die Geige. Und jeder Entomologe, sei es, dass er ernsthaft wissenschaftlich sammelt, oder eben nur "Briefmarken" pflegt einen besseren Umgang mit der Natur, als Behörden und leider auch zuweilen die Naturschutzverbände, die sich deisen Schutz groß auf die Fahne geschrieben haben.


    Viele Grüße
    Klaas

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  • Hallo Tim,


    ich möchte versuchen, Dir Deine gestellten Fragen aus meiner Sicht zu beantworten. Ich beschäftige mich seit über 30 Jahren mit der Entomologie. Ich habe sehr viele Sammelreisen, Expeditionen, auch im Rahmen von Projekten usw. gemacht, in alle Teile der Welt. Meine Spezialrichtung sind Saturniiden, meine Sammlung umfasst etwa 10.000 Exemplare und ich habe zusammen mit Kollegen hunderte Arten neu entdeckt und der Allgemeinheit zugänglich gemacht. Ich denke also, dass ich weiß wovon ich rede.


    Als es noch keine Fotografie gab, wurden von den ersten Wissenschaftlern immer Belegexemplare aus der Natur entnommen und konserviert. Das war bei z.B. Vögeln so und auch bei Insekten usw. Sie hatten gar keine andere Wahl, außer die Zeichnung. Heute kann man mit Fotografie sehr viel machen. Aber um es vorweg zu nehmen. Ja, es muss ein Exemplar aus der Natur entnommen werden, will man es wissenschaftlich bearbeiten.


    Auf Expeditionen in den Tropen, werden nach wie vor Insekten, wie Saturniiden gesammelt, getötet, getrocknet und dann später wissenschaftlich bearbeitet. Zunächst muss man die Saturniiden präparieren und trocknen. Ist das erledigt, werden die Gattungen und Arten einem erstem Vergleich unterzogen. Dann werden von einigen Exemplaren Genitalpräparate angefertigt. Das ist bis heute eines der wichtigsten Merkmale zur Unterscheidung von Arten. Also der sklerotisierte Teil des in der Regel männlichen Genitalapparates wird untersucht. Das geht nur an toten Exemplaren. Dann werden heute DNA Analysen gemacht, ich selbst habe aus meiner Sammlung über 3000 DNA Analysen anfertigen lassen. Für mich sind die DNA Analyse zusammen mit dem Gentialapparat und der Zoogeografie die entscheidenden Merkmale zur Unterscheidung von Arten. Das Aussehen der Falter, also die äußere Morphologie ist absolut kein Merkmal mehr, eine Art von einer anderen Art zu unterscheiden. Dieser Irrtum, dem viele Entomologen verfielen, ist seit der DNA Analyse widerlegt. Es gibt sehr viele Gattungen (Samia, Lonomia usw.) bei denen die Falter so gut wie keine Unterschiede im Aussehen aufweisen und trotzdem sind sie völlig verschiedene Arten. So wurden früher gleich aussehende Arten die von Mexiko bis Argentinien flogen als ein und die selbe Art angesehen, nur weil die Falter sich stark ähnelten. Anders herum gibt es viele Beispiele, bei denen die Falter einer Art extrem variabel sind und aussehen wie völlig verschiedene Arten.


    Was kann also die Fotografie? Sie kann den Falter ablichten, aber für die wissenschaftliche Bearbeitung reicht das nicht. Es reicht schon deshalb nicht, weil es klar definierte internationale Regeln gibt, die vorschreiben, wie mit einer neuen Art zu verfahren ist, damit die Beschreibung dieser auch anerkannt wird. Dazu ist z.B. ein Holotyp zu designieren. Das ist das Tier/Exemplar, an dem die neue Art beschrieben wurde. In der Regel wird dieses Tier nach der Beschreibung und es muss eigentlich in einer Sammlung eines Museums deponiert werden, weil es der Allgemeinheit zugänglich sein muss. Deshalb gibt es in meiner Sammlung keine Holotypen.


    Du siehst also, dass es unter wissenschaftlichen Aspekten unumgänglich ist, ein Tier oder auch mehrere zu töten, um sie zu beschreiben, jedenfalls bei Insekten wird heute noch so verfahren und mir ist nicht bekannt, dass es schon Beschreibungen nur auf Grund von Fotos gibt und diese auch anerkannt wurden.


    Sammlungen nur um Tiere zu besitzen lehne auch ich ab. Für mich sind Saturniiden ohne Fundortangaben völlig wertlos, für die wissenschaftliche Bearbeitung auch. Aber auch ich habe mal angefangen, einfach Schmetterlinge gefangen und eine Sammlung angelegt. Ich frage mich heute, ob es nicht wieder besser wäre, wenn Biologielehrer wie früher mit den Schülern und Netzen in die Natur gingen und so das Interesse wecken. So kann man meiner Meinung nach keine Arten ausrotten. Aber wenn es keinen mehr interessiert und wir die Biotope nicht schützen, dann sieht es vielleicht anders aus. Aber das ist ein heikles Thema.


    Es gibt heute Staaten, in denen die Zucht von Schmetterlingen ein eigener Industriezweig ist. Diese Schmetterlingen nehmen wir mal die Ornithopteren werden für Sammler gezüchtet. Ornithopteren sind bekanntlich streng geschützt, obwohl sie in Massen in Indonesien gezüchtet werden. Sie sind eines nicht mehr - selten. Ich bin der festen Überzeugung, dass einige Arten, die wirklich kurz vor der Ausrottung standen, durch die Zucht gerettet werden konnten. Zum Glück gibt es Sammler, die sie kaufen. Nur ein Ornitopthera darf nicht gezüchtet werden, der größte und er wird wahrscheinlich deshalb aussterben. Würde er bei CITIES in den Rang der anderen gesetzt werden, würde er sofort massenweise gezüchtet werden. Also man kann das Sammeln nicht durchweg verteufeln.

  • Liebes Forum


    war gerade in Frankfurt im Senkenberg Museum und habe nicht mitbekommen das dort eine weitere Diskussion begonnen hat bzw. wieder zum Leben erweckt wurde. Bin aus München und war 2 Tage wegen Faltern im Museum. Dort habe ich bei der Art was Frank vorhin ansprach z.B. 11 Polypthchus affinis ohne Fundort Etiketten gefunden und suchte einen Typen der Saalmüller Sammlung von 1884 aus Madagaskar - den ich nicht fand.


    Warum sammeln Sammler? (Um wieder zur Kernaussage zurück zu kommen.)


    Ich wurde inspiriert durch einen Artikel im Fernsehen über Jugend Forscht wo ein Junge vor 35 Jahren etwas neues über Laufkäfern heraus gefunden hat aus Baden-Württemberg und dafür im Themenbereich Biologie den dritten Platz belegte. Da Fragte ich mich was ist ein Käfer was ist ein Schmetterling? Ein ehemaliger Freund meiner Mutter war Entomologe in der Bayrischen Staatssammlung in München Franz Bachmeier hieß er und über ihn kam ich in die Sammlung und mir wurde das sammeln und präparieren beigebracht. So kam ich zur Entomologie im Alter von 15 Jahren, wobei ich mich für Tiere seit meiner frühen Kindheit interessiere.


    Mit 20 Jahren das war 1984 erfüllte ich mir einen Kindheitstraum (ich habe 4 Geschwister und Urlaub war nur bei den Tanten möglich) und bin in den Regenwald nach Madagaskar gereist um wie Mowgli aus Walt Disney Dschungelbuch im Regenwald zu schlendern. Dort begann ich wieder intensiver mit dem Sammeln. Dort habe ich dann mit meiner dritten Madagaskar Reise 1988 den Grundstock meiner Sammlung gelegt – Tropische Sphingidae. Bei den 3 Reisen habe ich ca. 50 % der Arten sammelt in allen 4 Endemischen Gattungen. Ich reiste bei der zweiten und dritten Reise nur in den östlichen Regenwald wo ich 5 Wochen in Ranomafana (heute NP) sammelte. 3 Wochen in der Trockenzeit und 2 ½ Wochen in der Regenzeit. Ich kannte die 15 qkm meines untersuchten Gebietes extrem intensiv durch die zwei Reisen.


    Im Laufe der Jahre kamen dann weitere Arten hinzu in meiner ersten Sammlung und dann Entdeckte ich an Faltern aus Südamerika Pollinarien am Rüssel. Das sind Samenpakete von Orchideen die während des Trinkvorgangs des Falters an den Rüssel oder Palpen geklebt werden. Diese konnten bei einen Falter der Art Adhemarius sexuculata aus Venezuela den ich von Bernhard Wenczel Schweiz bekam durch den Botaniker Eric Hagasater aus Mexiko der spezialisiert ist auf die Orchideenfamilie Ephidendurm auf eine Art eingeschränkt werden. Das Ergebnis veröffentlichte ich letztes Jahr in der Entomologischen Zeitschrift - Das war effektive Forschung! (Dieser Artikel war in einer Umzugskiste in Vergessenheit geraten und kam vor 3 Jahren ans Licht).


    Ich suche kleine Puzzle und um diese Lücke zu schließen. Das erfordert viel ZEIT und WISSEN. Dieser Falter der Art Adhemarius sexuculata ist durch den Verkauf meiner ersten Sammlung im Jahr 2004 an Jean Marie Cadiou seit 2010 im Natural History Museum in London, da Jean Marie 2007 starb. Der Falter ist mit einen grünen Handschriftlichen Etikett von Mir versehen.


    Seit 2005 begann ich mit einer zweiten Sammlung da ich mein Wissen nicht brach liegen lassen will und meine Literatur behielt beim Verkauf meiner Sammlung. Ich habe zwei Sammler in Südamerika die für mich nach Faltern suchen wo ich auf Pollinarien hoffe um dort weitere Forschungen vor zu nehmen. Das ist die Nadel im Heuhaufen die ich Suche! Da bestimmt nur 0,01 % der Falter oder weniger nur Pollinarien besitzen.


    Grüße Michi

  • Hallo


    Ich hab mal ne Frage. Was versteht man denn unter wissenschaftlich sammeln? Welche Sammlung ist denn nicht nur wertvoll sondern verwertbar?Dass man keine wilden Mischungen züchtet sondern entweder Wildfänge oder reine Nachzuchten von Wildfängen mit entsprechenden Ettiketten versieht? Alles andere hat wissenschaftlich wohl wirklich keinen Sinn. Aber wie eine solche hobbywissenschaftliche Sammlung der Wissenschaft zugänglich machen? Welches Museum hat denn schon Interesse an der xten Sammlung von selbstgefangen Faltern von Opa? Ein Sammelsurium verschiedenster Fundorte und Gruppen über Jahrzehnte gestreut.
    Ich frag so dumm, weil ich wohl die undankbare Aufgabe habe die Sammlung meines verstorbenen Vaters zu übernehmen. Unangenehm weil zwar schöne Sachen dabei sind, die ich gern behalte, aber für alles hab ich keinen Platz. Also was tun damit? Verkaufen? Sind ja geschützte Arten dabei. Und außerdem nimmt die alten zerrupften Viecher nichtmal jemand geschenkt.
    Aber vielleicht täusch ich mich ja auch und die Institute freuen sich drüber? Falls ja, wie wird eine solche Sammlung dann verwertet? Was passiert mit den kleinen Füchsen oder auch kleinen Eisvögeln aus dem englischen Garten in München von 1957?


    Vg Chris

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  • Hallo,


    den letzten Abschnitt betreffend: Vor einigen Monaten habe ich den YouTube-Kanal "hoorayforolliewood's channel" von Oliver Greer aus Santa Fe entdeckt.
    Er erwähnte unter einem Video mal, dass er mit dem Kaufen von tropischen Insekten bzw. Wirbellose ausgewählter Händler die tropischen Regenwälder schütze.


    Und damit meint er nicht speziell Ornithopteren oder andere, in den CITES-Listen aufgenommene Insekten.


    Wie seht ihr das?


    Beste Grüße


    Christopher

  • Hallo Christopher,
    vielleicht ist dieser Bericht zum Thema "Ranching" für Dich von Interesse (ist etwas länglich aber er scheint brauchbar zu sein, soweit ich das abschätzen kann...)


    http://ec.europa.eu/environmen…df/review_butterflies.pdf


    Gruß
    Steffen

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