Liebe Insektenfreunde und -präparatoren,
es ist mir etwas unangenehm an dieser Stelle auf ein politisches Thema
aufmerksam zu machen, noch dazu, wo ich mich gerad neu hier angemeldet
habe (ich wurde von anderen Foren auf eures hier hingewiesen).
Eigentlich hat Politik ja nichts in einem Insekten-Forum verloren. Wenn es
völlig falsch sein sollte, oder ich gegen Forenregeln verstoße, bitte
ich den Beitrag zu verschieben oder zu löschen. Für Rückfragen stehe ich
selbstverständlich zur Verfügung: kalbe@geo.uni-potsdam.de
Ich selber sammle Gesteine und Fossilien (auch Bernstein-Insekten).
Darüber bin ich in ein Problem-Thema gestolpert, das gerade aktuell ist,
alle Naturwissenschaftler und naturwissenschaftlich Interessierten
betrifft, aber aus diesem Kreis kaum jemandem bewußt ist.
Es geht um unser Hobby, dass leider - je nach Art und Weise der Ausübung
- durch das von der Bundesregierung geplante Kulturgutschutzgesetz
(ohne Panikmache betreiben zu wollen) gefährdet ist. Insbesondere droht
die Einfuhr von allen naturwissenschaftlich interessanten aus dem
Ausland erschwert zu werden, dahingehend, dass man immer Papiere, die
die Legalität bescheinigen, vorlegen können muss (nach dem derzeitigen
Entwurf sogar unabhängig von den Ausfuhrmodalitäten des
Herkunftsstaates). Anderenfalls wird von der Illegalität als Regelfall
ausgegangen, eine Käfersammlung z.B. kann beschlagnahmt werden und man
bekommt es erst zurück, wenn man die Legalität nachweist. Ich finde
diesen und andere Punkte im Kulturgutschutzgesetz sehr bedenklich, dies
stellt eine Abkehr von der bisherigen Rechtslage und eine
Beweislastumkehr zulasten des Bürgers/Sammlers dar. Es drängt sich die
Frage auf: wie soll das funktionieren? Was wird aus Urlaubsexkursionen
in fremde Länder?
Ich war als einer von 4 naturwissenschaftlichen Fachvertretern zu dem Thema im Bundeskanzleramt
geladen, die meisten naturwissenschaftlichen Bereiche wurden jedoch nicht
gehört (im Gesetzestext ist die Rede von "paläontologischen und
sonstigen Gütern von wissenschaftlichem Wert", vor Ort wurde aber
gesagt, dass das eindeutig auch Herbare und zoologische Sammlungen
(Stichwort: Käfersammlungen) betrifft.
Da ich schon all zu viel zu viele Worte dazu verloren habe, hier mal eine Zusammenstellung von Quellen:
- Der Kulturgutschutzgesetzentwurf vom 14.09.2015: http://www.bundesregierung.de/Content/DE…icationFile&v=3
- Dem Ministerium übergebenes Schreiben des Vereins für Geologie und Mineralogie e.V. sowieso von Steinkern.de:http://www.steinkern.de/ablage/2015/Krit…inkern-VFMG.pdf
- Rückblick auf den Gesprächstermin mit Vertretern der Paläontologie in Berlin: http://www.steinkern.de/news-updates/112…-in-berlin.html
- Ausweichende Antworten der Staatsministerin Monika Grütters auf Fragen
mit Bezug auf Mineralien und Fossilien, die die Bedenken weiterhin
nährt, jedenfalls aber nicht entkräftet: http://www.abgeordnetenwatch.de/monika_g…79.html#q444279
Ganz wichtig und als Sofortmaßnahme (unter 1 Minute) durchführbar:
- Unterzeichnen der Petition "Für den Erhalt des privaten Sammelns": https://www.openpetition.de/petition/onl…ivaten-sammelns
Das Gesetz trifft beileibe nicht nur Fossiliensammler, sondern auch
Sammler diverser anderer Kultur- und Naturgüter wie Pflanzen, Muscheln
oder Käfer.
Der Gesetzesentwurf ist schlichtweg eine Katastrophe, wenn vielleicht
auch im Ansatz "gut gemeint". Für Kulturgut gemachte Gesetzgebung auf
Naturgut anzuwenden, ist nicht sachgerecht. Naturwissenschaftler und
Sammler naturwissenschaftlicher Objekte wurden im Zuge der Erarbeitung
wohl überhaupt nicht einbezogen, obwohl mal eben eine Größenordnung von
einer Milliarde naturwissenschaftlicher Sammlungsobjekte oder mehr in öffentlicher
Hand zu "nationalem Kulturgut" deklariert werden (was zu einem
zusätzlichen Schutz führt, der für manches Objekt vielleicht
wünschenswert sein mag, aber auch für Bürokratie sorgt, z. B. im
internationalen Leihverkehr - der zusätzliche Schutz wird dabei eher zur
Last, zumal der bisherige Schutz - nach Bedarfslage - für ausgewählte
Objekte ausreichte). Präzisierungen und Änderungen des Gesetzes sind
also auch von wissenschaftlicher Seite her dringend notwendig, zumal man
beim Importieren genauso von strengeren Anforderungen betroffen wäre,
wie Sammler und Händler (die zudem Materiallieferanten für die
Wissenschaft sind). Wissenschaftler, Sammler und Händler sollten daher
zusammenstehen und vernehmbar für Änderungen eintreten.
- Kernpunkte wurden auch im gerade verschickten Steinkern.de Newsletter noch einmal zusammengefasst, der hier online steht: http://www.steinkern.de/index.php?option…&tmpl=component
Ich würde mich freuen, wenn Ihr Eure vielfältigen Kontakte nutzt um die
Petition zu bewerben, auch internationale Unterschriften sind
willkommen. Sie zählen zwar nicht für das benötigte Quorum (120 000,
derzeit sind wir bei 18 600 in Deutschland), aber es würde
dokumentieren, dass man im Ausland überhaupt nicht möchte, dass
Deutschland Forschungs- und Sammelbarrieren schafft.
Ferner wäre es wünschenswert, wenn Ihr dem Ministerium selbst gegenüber Eure Bedenken artikuliert:
Poststelle@bkm.bund.de
(wendet Euch im Fall des Falles an die Staatsministerin Frau Prof.
Monika Grütters und Herrn Ministerialdirektor Dr. Günter Winands).
Für diejenigen unter euch, die mit Zoologen und Betreuern zoologischer
Sammlungen zusammen arbeiten: ich würde euch bitten in diesen Kreisen
auf das Gesetzesvorhaben hinzuweisen, der entsprechende Gesetzestext
soll wahrscheinlich schon Ende des Jahres (ohne große Beteiligung, aber
mit teilweise drastischen Auswirkungen auf naturwissenschaftliche
(öffentliche und private) Sammlungen) verabschiedet werden. Die Kabinettssitzungen dazu finden meines Wissens heute und übermorgen statt (26.+28.10.2015)
Beste Grüße
Johannes
PS: ich habe oft, von vielen Sammlern und Wissenschaftlern gehört: "das betrifft mich nicht", oder "in meinem Bereich findet bereits eine sehr ausführliche Dokumentation statt" (siehe auch die sachbezogene Diskussion hier:
http://kaeferforum.com/wbb/off…h-zoologische-sammlungen/?
Um es deutlich zu machen: wenn ihr Privatsammler seid, und für jedes einzelne Sammlungsstück mit Dokumenten der Bodendenkmalpflegeämter (Naturschutzämter, Zollerklärungen etc. reichen nicht) nachweisen könnt wo es sich die letzten 30 Jahre befunden hat, betrifft es euch nicht. Wenn ihr das nicht könnt, nichts aus dem Ausland einführen wollt, und vorhabt eure private Sammlung kurz vor eurem Ableben zu verbrennen, betrifft es euch auch nicht.
Ansonsten: ihr sein mehr oder weniger von dem Gesetz betroffen, Kuratoren mehr als private Sammler, und kommerzielle Händler und Präparatoren am meisten.