Färbung abnorme Färbung Schwammspinner (L. dispar) Männchen

  • Hallo Actias-Gemeinde,

    im August 2020 fand ich eine Weibchen von L.dispar in unserem Treppenhaus. Es hatte schon abgelegt. Der Falter kam in die Sammlung und die Eier wurden im Kühlschrank überwintert.

    Trotz der Lagerung im Kühlschrank schlüpften die Raupen bereits Ende März. Fütterung mit den ersten Weißdornblättern und später mit Hainbuche. Da ich eigentlich nicht vor hatte diese (ehemals sehr häufige) Art zu züchten, habe ich die meisten Raupen ausgesetzt. Habe nur ca. 20 Stück fertig gezüchtet.

    Beim Schlüpfen war ich über die Färbung der Männchen sehr verwundert. Fast alle hatten mehr oder weniger weiße Färbungen auf den Flügen. Die Färbung der Weibchen war "normal". Ich habe in den letzten 50 Jahren sehr viele Schwammspinner Männchen (insbesondere Anfang der 90iger, als es zu Kahlfraß im Bereich KA kam und die beleuchtetet Hauswände voll mit Faltern waren) gesehen und weiß, dass die Färbung von hell-Grau bis fast schwarz schwankt.

    Doch solche Weiß-Färbungen habe ich noch nie gesehen.

    Ideen über die Ursachen?

    Freue mich über jede Rückmeldung





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  • Danke für die Rücjmeldungen.

    Den Gedanken hatte ich auch, aber warum waren dann die 3 Weibchen eindeutig wie Weibchen gefärbt und bis auf 1 geschlüpftes Männchen (und dies hat auch eine kleinen weißen Streifen) waren alle ! Mosaik-Gynandromorphen?

    Der sonstige Habitus ist doch eindeutig männlich.

    Erscheint mir doch sehr unwahrscheinlich?

    Hatte noch 3-4 Falter mit sehr verkrüppelten Flügeln; auch verfärbte Männchen.

  • Ich war in den 90er in Karlsruhe und habe mir den Kahlfraß der Eichenwälder entlang der Autobahn

    angesehen. Mit Schneeräümern befreiten die Straßenarbeiter die Autobahn vom Matsch der überfahrenen

    Lymantria dispar.

    Da ich nach Fundorten sammle, habe ich mir an einem Parkplatz ein "Multigespinnst" mit ca. 100 Puppen

    von einer Eiche gerissen und mitgenommen.

    Es schlüpften nahmezu alle (ohne Parasiten) Schwammspinner.

    Nur ein Männchen schlüpfte mit ähnlicher "Gynander"-Zeichnung, welches sich problemlos in deine Zuchtreihe

    einfügen ließe.

    "FLECKZWITTER" kommen dort vermutlich öfter vor als beobachtet.

  • Zu Wolbachia gibt es zahllose Publikationen. Eine gewisse Bekanntheit erlangten diese Bakterien, als sie erfolgreich zur Bekämpfung von Mücken (Überträger des Denguefiebers) in Brasilien eingesetzt wurden.

    Ich selbst hatte bislang 2 Zuchten, die nachweislich mit Wolbachia infiziert waren.

    Die erste Zucht (Bebearia abesa) war unspektakulär, da abgesehen von einem verkrüppelten Männchen nur normale Weibchen schlüpften.

    Die 2. Zucht (Cymothoe sangaris) erbrachte dann das gewünschte Ergebnis in Form einer guten Anzahl von gynandromorphen (ausschliesslich Mosaik) Männchen. = "Feminisierungseffekt"

    Vermutlich ist es dem Einen oder Anderen schon aufgefallen, dass unproportional viele gynandromorphe blaue Morphos in den Handel gelangen. Viele Züchter in den Ursprungsländern hegen und pflegen ihre Wolbachia infizierten Zuchtstämme um erzielte Mosaikgynander zum Teil zu exorbitanten Preisen an den Mann zu bringen.

    Es gibt sicher etliche Forumsmitglieder die mehr zu diesem Thema beitragen können.

    LG

    Andreas

  • Hallo Kollegen,

    vielen Dank für die Rückmeldungen.

    Von "Wolbachia" hatte ich noch nie gehört.

    Wie gesagt, konnte mir nicht vorstellen, dass alle Männchen "FLECKZWITTER" sein könnten. Könnte mich jetzt sehr ärgern, dass ich die meisten Raupen ausgesetzt habe.

    Wäre eine interessante Falterserie geworden.

    Auch eine Folgezucht (falls überhaupt bei "FLECKZWITTER" möglich) wäre vermutlich sehr interessant gewesen.

    Nun ja, hinterher ist man oft schlauer.

    Beste Grüße Armin

  • .

    Moin Armin,

    vor knapp 20 Jahren gab es im Zusammenhang mit der beabsichtigten Bekämpfung des Dengue-Fiebers durch den forcierten Einsatz von Wolbachia-Bakterien eine Ausschreibung für ein Forschungsvorhaben des brasilianischen Landwirtschaftsministeriums, um festzustellen, ob ausser der angestrengten Dezimierung von Stechmücken auch andere Wirbellose bezüglich der Fortpflanzungsrate beeinflusst werden könnten. Diverse Universitäten und wissenschaftliche Institute beteiligten sich daran.

    Im Ergebnis (bezogen auf den Feminisierungseffekt) wurde im Wesentlichen festgestellt, dass dieser bei den Lepidoptera nur bei 3 Arten kontinuierlich eintritt. Bei einigen weiteren, (wenigen) Species scheint sich die Wahrscheinlichkeit der Entstehung eines Mosaikgynanders zu potenzieren. (Bemerkenswerterweise scheinen keine Halbseitenzwitter zu entstehen).

    Die Wahrscheinlichkeit dafür bewegt sich selbst im günstigsten Fall aber immer noch im Promillebereich. Die Entstehung von mehreren gynandromorphen Männchen aus einer einzelnen Zucht ist mit einem Hauptgewinn im Lotto vergleichbar. Die Ergebnisse waren unter gleichen Bedingungen bei weiteren Zuchten nicht reproduzierbar.

    Deine Serie von Schwammspinnern ist absolut bewundernswert, insbesondere da sie im Gegensatz zu meinen C. sangaris kaum deformiert sind. Ich hatte noch einige weitere infizierte Zuchten initiiert, die aber in jeder Beziehung ergebnislos verliefen. Nachzuchten der gynandromorphen C. sangaris kamen trotz mehrerer erfolgter Kopulationen nicht zustande.

    Ich habe mich schon seit langem gefragt, ob in Europa vorkommende Mosaikzwitter durch Wolbachia-Infektionen beeinflusst wurden.

    Rein subjektiv kommt es mir so vor, als ob bestimmte Arten wie z.B. G. rhamni oder A. tau dafür empfänglicher sind als Andere. (Logischerweise bezogen auf Arten mit ausgeprägtem Geschlechtsdimorphismus).


    LG

    Andreas

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  • Wir machen uns Sorgen über CORONA und dergleichen. Völlig unwichtig im Vergleich zu dieser Sache.

    In Brasilien (evtl. auch in anderen Ländern) wurde das WOLBACHIA-Bakterium zur Insektenbekämpfung wie angegeben

    schon vor 20 Jahren eingesetzt.

    Nun bekommen wir die Auswirkungen zu spüren.

    LSBTI, Queer, Divers, Gender, Trans* u.v.a. Formen haben auf uns übergegriffen und das ist erst der Anfang.


    Nehmt es nicht zu ernst.

    Manfred

  • Hallo Andreas,

    wie gesagt, könnte ich mir in den Ars... beißen, dass ich die meisten Raupen ausgesetzt habe.

    Aber wer rechnet den mit so etwas.

    Von den rund 25 Raupen habe ich 3 Weibchen und 18 Männchen erhalten. Neben den 12 Exemplaren auf dem Foto habe ich noch 4 Stück mit z.T. deformierten Flügeln gespannt (aber Mosaikgynander) und 4 Stück hatten so verkrüppelte Flügel, dass ich diese "entsorgt" habe.

    Grüße Armin

    • Offizieller Beitrag

    Spannende Infos, danke Andreas!

    Dennoch kommen mir irgendwie ein wenig Zweifel - wenn diese Tiere Wolbachia ausgesetzt wurden, dann hätten ja theoretisch 2020 in der Region auch beim Lichtfang zahlreiche ähnliche Tiere anfliegen müssen... Armin, hast du in dem Zeitraum evtl. mal geleuchtet?

    Und die Mückenbekämpfung mit Wolbachia ist ja in Deutschland sicherlich auch nicht so en vogue - habt ihr zur Häufigkeit der Anwendung in Deutschland auch Infos? Also dass dies zum hier dargestellten Effekt führen kann, scheint ja wohl nachgewiesen - ich frage mich aber irgendwie schon, wie plausibel das bei Tieren aus Deutschland derzeit sein kann.


    Und bzgl. Gynander/Aberationen gibt es definitv Arten die eher anfällig sind als andere. Zu nennen wären hier wohl bspw. auch noch Limenitis oder diverse Bären (insb. wenn die Tiere schon durch zB Inzucht oder externe Faktoren geschwächt sind).


    Spannendes Thema. Und Glückwunsch zur Serie!


    LG,

    Toni

  • Zur Frage vom Toni,

    nein ich habe nicht geleuchtet; der Fundort des "Muttertiers" war in eine Wohnsiedlung mit Wohnblocks aus den 60igern Ka-Durlach mit parkartigen Gehölz-Strukturen.

    Es war in 15 Jahren, dass einzige dort beobachtete Weibchen von L. dispar. Männchen konnte ich öfters zur Flugzeit tagsüber beobachten (eher vereinzelt).

    Sofern Männchen nachts an der Hausbeleuchtungen (Eingangstüren) saßen, waren diese "normal" gefärbt.

    Keiner Hinweise am Rande (will damit aber keinesfalls eine Verschwörungstheorie verbreiten !!!!!)

    Die Tigermücke wurde schon vor ein paar Jahren (weiß nicht mehr genau wann) in Karlsruhe nachgewiesen.

    Der Fundort der Mücken hat eine Abstand zum Fundort der "Muttertiers" von ca. 700 m Luftlinie.

    Pfützen entlang von Bahnlinien. War damals einer der ersten Funde in BaWü.

  • Moin,


    gleich vorneweg, ich bin bestimmt kein Spezialist für Wolbachia. Meine Kenntnisse sind absolut rudimentär und auch seit langem nicht mehr auf Stand.


    Ich war Anfang der 2000er Jahre für eine gute Weile in Brasilien wohnhaft und auf einer Entomologentagung stand eben auch das Thema Wolbachia auf der Tagesordnung. Der Vortrag war ein langer Monolog gespickt mit Fachchinesisch in portugiesischer Sprache. Mein Interesse war erst geweckt, als beiläufig erwähnt wurde, dass Wolbachia unter bestimmten Voraussetzungen bei einigen Lepidoptera-Arten Einfluss auf die Entstehung von gynandromorphen Nachkommen nimmt.

    Mit einem der Biologen war ich befreundet und nach einem Umzug nach Westafrika, trafen wir uns dort wieder, weil er Feldforschungen an Anopheles-Mücken (Überträger Malaria) betreiben wollte.

    Quasi als Freundschaftsdienst erhielt ich dann infiziertes Zuchtmaterial für meine eigenen Zwecke, - u.a. die bereits erwähnten C. sangaris. Die Infizierung war unter Laborbedingungen erfolgt.

    Die Feldforschung mit den Anopheles-Mücken verlief damals weitestgehend ergebnislos.

    Nach der Abreise meines Freundes hatte ich dann auch das Interesse an den Wolbachia verloren bzw. mangels Zuchtmaterial nicht weiterverfolgt.


    Damals war das wissenschaftliche Interesse ohnehin eher darauf ausgerichtet, ob sich die Populationsgröße von Schadinsekten mittels Wolbachia dezimieren lässt. Mittlerweile wurde bekannt, dass Wolbachia auch vorhandene Virenlast in seinen Wirten (z.B. Aedes-Stechmücke/Dengue) dezimiert oder gänzlich auslöscht. Welche Interaktionen dabei zwischen Wirt, Viren und den Bakterien stattfinden, ist aber weitestgehend noch unbekannt.


    Malariabekämpfung mittels der Bakterien ist aktuell wieder ein heisses Thema, da auch Filarien dezimiert werden können.


    Wolbachia ist der Name des Genus, der eine einzige Art beinhaltet. Es sind aber wohl rund 1 Dutzend Mutationen (?), strings von Wolbachia pipientis bekannt, die unterschiedliche Wirkungsgrade auf ihre Wirte ausüben.


    Nach meiner Kenntnis kann Wolbachia nur vertikal an direkte Nachkommen übertragen werden. Eine Ansteckung/Übertragung auf eine andere Art ist daher auf natürliche Weise eigentlich nicht möglich.

    Die Bakterien sind nach Absterben des Wirts nicht überlebensfähig. Wolbachia wurde fast weltweit nachgewiesen, je nach Auffassung des Autors zwischen 30% und 70% aller Arten. Die Wildformen scheinen dabei eher "harmlos" zu sein.

    Unnatürlich infizierte Populationen scheinen sich nach einer gewissen Zeitspanne wieder einzuregulieren.

    Die Vermehrung des Bakteriums auf Nährlösungen scheint außerordentlich anspruchsvoll zu sein.


    Aus den vorgenannten Gründen halte ich es für eher unwahrscheinlich, dass sich daraus eine Gefahr entwickeln könnte. :smiling_face:

    LG

    Andreas

    • Offizieller Beitrag

    Nach meiner Kenntnis kann Wolbachia nur vertikal an direkte Nachkommen übertragen werden. Eine Ansteckung/Übertragung auf eine andere Art ist daher auf natürliche Weise eigentlich nicht möglich.

    Diese Arbeit hier hat genau das nachgewiesen: https://academic.oup.com/ee/ar…/1424/2418662?login=false

    Der horizontale Transfer scheint über gemeinsame Parasitoide möglich zu sein.


    Trotzdem sehe ich auch keinen Grund eine Gefahr darin von seiten der Wolbachia-Infektionen zu sehen. Was ich kritischer sehe ist, dass die großangelgete Bekämpfung von Mücken ein ziemlich drastischer Eingriff in Ökosysteme ist, deren Folgen wieder mal sehr schwer abzuschätzen sind. aber das ist ein anderes Thema.


    Würde es jedenfalls für plausibel halten, dass bei Lymantria dispar natürlicherweise Wolbachia-Infektionen vorkommen, die wenn das schon bei anderen Arten bekannt ist eine solch erhöhtes Auftreten von Gynandern hervorbringt. Ich hab mich mit der Materie nicht näher befasst, aber so rein aus biologischem Kontext ist das durchaus denkbar. Zumindest halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass so rein zufällig mal so viele Gynander aus einer Zucht entstehen. Die Wahrscheinlichkeit dafür sollte irrsinnig gering sein.


    Grüße Dennis

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